Bürgerbegehren KrankenhausEntscheid Essen

Wir bedanken uns bei den Initiator:innen und Mitstreiter:innen des Bürgerbegehrens „KrankenhausEntscheid Essen“, für ihren Einsatz, ihr Engagement, über eine kommunale gGmbH die medizinische Grund-und Regelversorgung im Essener Norden aufrecht erhalten zu wollen.

Wir teilen nicht die Auffassung der Verwaltung, dass die Fragestellung des Bürgerbegehrens unzulässig ist. 

Die Verwaltung argumentiert, dass es ein rechtlicher Verstoß sei, dass die Kostenschätzung, zu der sie erst per Gerichtsurteil gezwungen wurde, nicht vollständig dem Text des Bürgerbegehrens beigelegt worden ist. Im § 26 der Gemeindeordnung heißt es, dass die Kostenschätzung der Verwaltung bei der Sammlung der Unterschriften nach Absatz 4 anzugeben ist. Das ist aus unserer Sicht auch erfolgt und das in einer übersichtlichen Form für die Unterzeichnenden unter Nutzung der drei Kostenpunkte. Die Kostenschätzung ist so formuliert, dass die Ableitung  und Begründung nicht explizit dazu gehört.

Wer schon einmal auf der Straße Unterschriften gesammelt hat, was sicherlich bisher wenige in dem Saal gemacht haben, weiß, dass sich niemand auf der Straße vier Seiten Begründung für die Kostenermittlung durchliest.

Wir sind zusammen mit dem Verein „mehr demokratie“ der Meinung, dass diese Darstellung reichen muss. Es kann nicht verlangt werden, vier Seiten oder mehr an ein Bürgerbegehren zu hängen. Damit hätten die Verwaltungen einen mächtigen Hebel, die praktische Durchführung von Bürgerbegehren egal zu welchem Thema zu erschweren.

Wie soll so ein Bürgerbegehren durch Initiativen und Zusammenschlüsse wie diesem dann noch durchgeführt und finanziert werden können? Wie soll das Infomaterial in diesem Umfang in die Briefkästen gelangen?

Des Weiteren wird im Sachvortrag der Verwaltung angeführt, dass die Frage des Bürgerbegehrens keine abschließende Sachentscheidung beinhalten würde, weil nämlich nur nach der Gründung einer gGmbH gefragt wird. Das was hinterher konkret passiert, würde im Ungefähren bleiben.

Den im Gutachten aufgeführten Mangel in der Fragestellung hat die Verwaltung aus unserer Sicht selbst geheilt, in dem sie mit den weiterführenden Kostenschätzungen den Zweck der Gründung der gGmbH verdeutlicht hat.

Bei der Kostenberechnung wird also nicht so getan, als wäre die Gründung der gGmbH nur ein Zwischenschritt, sondern es wird mit den finalen Kosten eines Krankenhauses gerechnet.

Ist der unternehmerische Zweck einmal festgelegt, wie es das Bürgerbegehren macht, dann ist die operative Umsetzung die Aufgabe des Gesellschafters, in diesem Fall der Stadt Essen und der Organe der Gesellschaft.

Auch das Argument, dass haushaltswidrige Ziele verfolgt werden, halten wir nicht für schlüssig.

Die konsumtiven Kosten von 30.000 Euro für die Gründung der Gesellschaft sowie von 1,3 Mio. Euro für die Konzeptentwicklung, dürften wohl kaum zu einer Überschuldung führen.

Die investiven Kosten von über 160 Mio. Euro führen zu keiner bilanziellen Überschuldung, denn es handelt sich um einen Aktiv-Passiv-Tausch.

Aus Schulden auf der einen Seite wird Anlagevermögen auf der anderen Seite. Das Eigenkapital bleibt unverändert. Und ob der jährliche Fehlbetrag von 15 - 20 Mio. Euro wirklich eintreten muss, wird nicht ausreichend begründet. Es kann bei guter Leitung auch ganz anders kommen, dafür gibt es Beispiele von Krankenhäusern in kommunaler Hand.

Vor acht Jahren wollte die Stadt Essen unter den strikten Haushalts-Vorgaben des „Stärkungspaktes“ des Landes die Messe Essen für 123 Mio. € Euro ertüchtigen. Den Initiatoren des Bürgerentscheids Messe Essen ist es zu verdanken, dass die Stadt und die Messe Essen die Baupläne so umstrickte, dass 30 Mio. Euro im Haushalt bei der Ertüchtigung der Messe gespart worden sind. Damals erfolgte es noch mit Unterstützung der Grünen, aber da waren sie ja auch noch in der Opposition.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, auch wenn der Rat im Dezember einstimmig viele andere Bausteine, wie Gesundheitszentren und Gesundheitskioske auf den Weg gebracht hat, ersetzen diese kein Krankenhaus und reichen allein nicht aus.

Der Oberbürgermeister, die Stadtspitze, die Bezirksvertretungen, der Rat, die Ärzte im Stadtteil, die Stadtteilkonferenz haben sich nach den einsamen Entscheidungen von Contilia persönlich engagiert, aber den entscheidenden Punkt wollen sie heute ablehnen: Die Perspektive für ein Krankenhaus, die die Stadt bei einem Beitritt zum Bürgerbegehren zumindest mittelfristig weiterverfolgen könnte.

Eine neue, städtische Gesellschaft böte ja die Chance, zumindest die Voraussetzungen für eine kommunale Krankenhausversorgung im Essener Norden zu schaffen und die Krankenhäuser nicht ausschließlich dem Land und privaten, kirchlichen Trägern zu überlassen, die nicht verlässlich sind, sondern durch rein wirtschaftlich begründete Entscheidungen den kompletten Essener Norden krankenhausfrei gemacht haben.
 

Und diese Entscheidungen betreffen Stadtteile, in denen viele Ärztinnen und Ärzte vor den Schließungen gewarnt haben, weil die Krankheitsverläufe im sozial in vielerlei Hinsicht benachteiligten, Essener Norden oft anders sind. Es ist z.B. ein großes Problem, wenn die Unterstützung der Familien für die Kranken schlechter wird, weil sie viel weitere Wege mit einem ungünstigen und zu teuren ÖPNV in Kauf nehmen müssen.

So vergibt man sich selbst die Möglichkeit, auf Dauer zu handeln. Gesundheit ist keine Ware, die dem Markt überlassen werden darf. Daher wäre es wichtig, dass die Kommunen ihre Verantwortung für die Gesundheitsversorgung wieder besser und selbst in die Hand nehmen können. Das Zeigen im Übrigen auch die Erfahrungen mit der Pandemie. Denn nicht nur in Essen sind auch während der Pandemie von privaten Trägern Krankenhausbetten gestrichen worden - aus reinen Profitgründen.

Und der Krankenhausplan der Landesregierung sieht einen weiteren Abbau von Betten in der Region vor. So werden wir über kurz oder lang vielleicht wieder in das Dilemma kommen.

Aus diesen Gründen stimmen wir für das Bürgerbegehren und lehnen die Verwaltungsvorlage ab.