Schulentwicklungsplanung

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Anwesende & online im Stream,

Wir als LINKE sind erfreut, dass nun auch der zweite Band der Schulentwicklungsplanung vorliegt, der sich mit den weiterführenden Schulen beschäftigt. Auch hier hat die Verwaltung, wie bereits bei Band I, eine große Aufgabe gemeistert. Eine Aufgabe, die angesichts 37 fehlender Eingangsklassen im Schuljahr 2024/25 allerdings früher hätte angegangen werden sollen, wie es unsere Fraktion lange gefordert hat.

Nun werden erstmals die Bedarfe für die einzelnen Schulformen angesichts steigender Schülerzahlen benannt und Wege aufgezeigt, diese perspektivisch zu decken. Doch die Herausforderungen der nächsten Jahre sind immens.

Dass in den nächsten Jahren 15 Zügigkeitserhöhungen und fünf Schulneubauten erforderlich sind, macht den massiven Nachholbedarf bei der Erweiterung und dem Neubau von Schulgebäuden in der Stadt deutlich. Ein Bedarf, der an manchen Schulen schon lange spürbar war, aber nun erstmals auch für alle weiterführenden Schulen benannt wird. Sowohl die Bestandsaufnahme als auch die Bewertung und die Handlungsempfehlungen für die nächsten Jahre lässt hoffen, dass sich in der Essener Schullandschaft einiges bewegen wird.

Die Verabschiedung der Schulbauleitlinien und die damit einhergehende Verständigung auf Standards war ein wichtiger und sinnvoller Schritt im Vorfeld. Denn nicht nur der Mangel an Lehrkräften, Sozialpädagogen und weiteren Fachkräten erschwert die Situation an den Essener Schulen, sondern auch der schlechte bauliche und technische Zustand vieler Schulgebäude sowie das fehlen von Raumkapazitäten zur Umsetzung der pädagogischen Konzepte. Vor allem aber wird mit dem zweiten Band der Schulentwicklungsplanung das Fehlen von Raumkapazitäten deutlich, damit allen Schülerinnen und Schülern ein Platz an der „richtigen Schule zur richtigen Zeit in der richtigen Größe am richtigen Ort“ finden können, wie sie es selbst so treffend beschreiben.

Nun muss schnell geklärt werden, wie die aufgezeigten Maßnahmen zeitnah umgesetzt werden können, damit der Schulbesuch - anders als bei den Grundschulen - für jedes Kind garantiert werden kann. So gilt es, trotz des Mangels an Baugrundstücken schnell unter anderem Grundstücke für den Neubau der benötigten fünf  Schulen zu finden. Wenn man bedenkt, dass von dem Beschluss über den Bau einer Schule bis zu deren Eröffnung im Durchschnitt sieben Jahre vergehen, bedarf es jetzt der schnellen Priorisierung der vorgeschlagenen Maßnahmen unter Einbindung und Zusammenarbeit der  weiteren Fachämter. Über mögliche Beschleunigungen in den Verfahren muss ebenso nachgedacht werden, wie über die personelle Aufstockung des Fachbereichs Schule und der Taskforce Schule. Denn ein erheblicher Mehraufwand besteht nicht nur beim Bauen, sondern auch in der Verwaltung. Dabei darf die Sanierung der Bestandsgebäude ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden.

Erfreulich an der neuen Schulentwicklungsplanung ist die Transparenz der Daten, die für jede einzelne Schule erhoben wurde. Erstmals wird mit der Erfassung des Sozialindexes, den Anteilen an inklusiven Kindern, Kindern mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit, Kindern mit nichtdeutscher Verkehrssprache sowie Kindern mit Zuwanderungsgeschichte deutlich, vor welchen Herausforderungen die Lehrenden und Lernenden in der Bildungs- und Erziehungsarbeit stehen. Um diese Herausforderungen besser angehen zu können, regen wir an, perspektivisch die Klassengröße bei den Schulen zu reduzieren, die es besonders schwer haben, so wie es bspw. in Bremen gemacht wird.

Wichtig wäre es, hier vor allem auch im Bereich lehrerunterstützendes Personal nachzubessern, damit Lehrkräfte sich auf den Fachunterricht konzentrieren können. Wir hätten es daher angemessen gefunden, wenn die von uns geforderten 20 Stellen für die Schulsozialrbeit im Rahmen der Haushaltsplanungen verabschiedet worden wären. So hätteEssen seine aktuell 130 Stellen für die Schulsozialarbeit auf 150 Stellen aufstocken können und hätte an die vergleichbaren Städte Dortmund mit 160 Stellen und Düsseldorf mit 196 Stellen bis 2023 aufschließen können. Natürlich ist hier auch das Land NRW gefragt, aber als Großstadt können wir uns nicht nur auf das Land verlassen.

Als jemand, dessen Abitur aus dem Iran hier nur als Hauptschulabschluss nach Klasse 10 anerkannt wurde - und der das Abitur dann in der Essener Schullandschaft nachholen musste - kann ich sagen, dass es für viele Menschen, gerade auch für solche mit Fluchterfahrung, unmöglich ist, ohne ausreichendes lehrerunterstützendes Personal erfolgreich das Schulsystem zu verlassen.

Manche Schulen, wie bspw. die Helene-Lange-Realschule, das Gymnasium Nord-Ost, die Erich-Kästner-Gesamtschule, aber vor allem auch alle Hauptschulen stehen hier vor besonders großen Herausforderungen. Sie sollten daher priorisiert behandelt werden. Auch der Umstand, dass an den Hauptschulen knapp 18% keinen qualifizierenden Anschluss finden, kann von uns nicht hingenommen werden. Ebenso besorgniserregend ist das Nord-Süd-Gefälle unserer Stadt, das sich auch bei den Schulübergängen in Tabelle 53 auf Seite 40 deutlich zeigt: so wechseln in Bezirk VIII und IX 70 und 85% der Kinder auf ein Gymnasium, wohingegen es in allen anderen Bezirken zwischen 30 und 40% sind. 

An dieser Stelle möchten wir auch noch einmal auf die Schließung des Ruhr-Kollegs hinweisen. Kann es wirklich sinnvoll sein, dass diese Schule geschlossen wird? So manche Fehleinschätzung hat auch in den vergangenen Jahrzehnten dazu geführt, dass Schulen geschlossen wurden, die nun fehlen, dass Gebäudeteile zurückgebaut wurden, oder nun in Gänze anders genutzt werden. Vor allem auch bezogen auf die komplette Schullandschaft Essens halten wir als LINKE die Schließung des Ruhr-Kollegs für falsch.

Anregen möchten wir noch, dass über den Bau einer Gesamtschule im Essener Süden nachgedacht werden sollte. Sinnvollerweise haben sie für die Gesamtschulen in der Schulentwicklungsplanung das tatsächliche und das gewünschte Wechselverhalten der Schüler dargestellt, wo sich zeigt, dass der Wunsch eine Gesamtschule zu besuchen größer ist als das Angebot. Mit dem Bau dürfte der Bedarf zusätzlich noch einmal steigen. Denn wie sich an verschiedenen Stellen des Bandes zeigt, hängt der Zugewinn oder Verlust von Schulen einer bestimmten Schulform mit der Nachfrage zusammen.

Bevor ich zum Schluss komme, habe ich noch eine Anmerkung zur angehängten Berichterstattung über die Luftfiltergeräte: Diese Vorlage der Verwaltung überzeugt uns nicht. Sie widerlegt nicht, dass es gewinnbringend ist, die Schulen flächendeckend mit mobilen Luftfiltergeräten auszustatten. Natürlich sollte auch dann gelüftet werden, wenn Filteranlagen vorhanden sind, aber eben nicht ganz so oft. Dadurch könnte nicht nur der Unterricht flüssiger ablaufen, auch das Infektionsrisiko wäre reduziert. Wieso sie - statt sich ernsthaft mit dem Thema auseinanderzusetzen - breit darstellen, dass stationäre Anlagen besser wären, diese aber nicht eingebaut werden können, verstehen wir nicht. Übrigens hat sich der Landtag NRW bereits im Januar dieses Jahres mit 41 Luftfiltergeräten ausgestattet.

Insgesamt müssen wir zum zweiten Band der Schulentwicklungsplanung festhalten, dass die Lage dramatisch ist. Angesichts der Wichtigkeit des Themas sollten wir die Verwaltung in die Lage versetzen, handeln zu können sowie unseren politischen Einfluss auf allen Ebenen geltend machen - und das fraktionsübergreifend. Denn die Kinder sind da und benötigen Schulraum. Die nötigen Werkzeuge, um die Schullandschaft auf Vordermann oder Vorderfrau zu bringen, liegen uns mit den neuen Schulentwicklungsplanungen und der neuen Schulbauleitlinie in der Hand. Demnächst auch für die Berufskollegs, denn der dritte Teil der Schulentwicklungsplanung soll ja Anfang nächsten Jahres folgen.

Vielen Dank noch einmal an die Verwaltung für die hervorragende Arbeit! Jetzt gilt es, die Planung mit Leben und Richtungsentscheidungen zu füllen und diese schnellstmöglich und priorisiert umzusetzen. Wir als LINKE werden die Prozesse gerne begleiten!