Anfragen

Bericht aus der Ratssitzung Februar 2023

Schweigeminute für die Erdbebenopfer

Große Diskussion um die schnelle Schaffung von Schulräumen

Der Rat der Stadt gedachte zu Beginn der Ratssitzung der Opfer des schrecklichen Erdbebens in der Türkei und in Syrien. Viele Essenerinnen und Essener haben Familienangehörige und Freunde verloren. Oberbürgermeister Thomas Kufen sprach ihnen auch im Namen des Rates sein Beileid aus. Danach folgte eine Schweigeminute des Rates.

Die Stadt Essen beteiligt sich an der Entwicklungsgesellschaft Freiheit Emscher. DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass diese Gesellschaft einen Aufsichtsrat bekommt, was bisher nicht vorgesehen ist. Das wird aber erst im März entschieden, weil Essen richtigerweise noch auf die Beratung in Bottrop warten möchte.

Intensive Diskussionen gab es um die Frage der schnelle Schaffung von Schulraum.

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Essen: Großstadt für arme Kinder

Die Fraktionen von CDU und Grüne haben einen Sachstandsbericht zur Umsetzung des Leitbildes „Essen.Großstadt für Kinder“ beantragt. Der letzte ausführliche Kinderbericht, der die Ziel- und Maßnahmeplanungen dazu benannt hat, stammt aus dem Jahr 2008. Der Ratsfraktion DIE LINKE fehlte aber ein entscheidender Punkt in dem grün/schwarzen Antrag. Sie hat deshalb den Erweiterungsantraggestellt, u.a. das Konzept stärker mit Präventionsstrategien zur Vermeidung von Kinderarmut zu verknüpfen.

Shoan Vaisi wies in seiner Rede darauf hin, dass Essen eine Großstadt für arme Kinder ist. Ein Hauptproblem für Kinder und Jugendliche bestehe darin,  in Armut aufzuwachsen. So leben im Nordviertel und in Altendorf z.B. über 60% der Kinder in Armut. Insgesamt lebt hier jedes dritte Kind von Hartz-IV, womit Essen nach Gelsenkirchen laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung auf dem vorletzten Platz in ganz Deutschland rangiert. Das ist ein eklatanter Widerspruch zu dem Anspruch „Großstadt für Kinder“. 

DIE LINKE forderte außerdem eine differenzierte Herangehensweise für Kinder und Jugendliche aus alleinerziehenden Haushalten. Denn dort gibt es besondere Schwierigkeiten, insbesondere vor dem Hintergrund der immer noch 1.700 fehlenden Kitaplätze in Essen.

Der Antrag von CDU und Grünen wurde von SPD, FDP und Tierschutzpartei abgelehnt. Die SPD war der Meinung, dass die Verwaltung mit dem Antrag unnötig belastet würde, fand aber die Aspekte unseres Antrages betrachtens- und vertiefenswert. Der linke Antrag wurde von DIE PARTEI unterstützt. Die Fraktion wird im nächsten Arbeitskreis Kinder, Jugendliche und Kultur überlegen, wie sie die Frage der Unterstützung Alleinerziehender in der Stadt auf andere Art und Weise implementieren kann.

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Gesundheitsversorgung im Essener Norden

Der Rat der Stadt hat die Gründung einer Trägergesellschaft für ein integriertes Gesundheitszentrum im Essener Norden einstimmig beschlossen. So soll neben dem Kindergesundheitszentrum in Altenessen und den beiden Gesundheitskiosken in Altenessen und Stoppenberg eine „Stadtteilklinik“ in Stoppenberg errichtet werden. Die Gelsenkirchener gemeinnützige St. Augustinus GmbH wird Mitgesellschafterin. Diese betreibt mehrere Versorgungszentren und Krankenhäuser, u.a. das Marienhospital im Gelsenkirchener Norden mit 550 Betten.

Theresa Herzog merkte kritisch an, dass mit der „Stadtteilklinik“ kein Krankenhaus im klassischen Sinne errichtet wird, da es dabei um eine allgemeinmedizinische stationäre Versorgung gehen wird. Sie erinnerte an die Ablehnung des Krankenhausentscheids durch die Ratsmehrheit vor zwei Jahren, als ein Bürgerbegehren mit fast 20.000 Unterschriften wegen eines fraglichen Gutachtens abgelehnt und somit die Möglichkeit einer kommunalen Klinik im Essener Norden blockiert wurde.

Theresa hob positiv hervor, dass die Stadt Essen zwar nur Minderheitsgesellschafterin werden soll, das aber mit einer Sperrminorität. Somit liegt mehr Einfluss bei der Kommune, als das zuvor mit den beiden Krankenhäusern der Fall war und Contilia die Stadt immer wieder vor vollendete Tatsachen gestellt hat. DIE LINKE stimmte der Vorlage zu, da damit zumindestens in Ansätzen unsere Forderung nach kommunaler Beteiligung Rechnung getragen wird. Die „Stadtteilklinik“ wird zwar kein Krankenhaus, aber die medizinische Versorgung vor Ort trotzdem verbessern.

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Entwicklung Freiheit Emscher

Die riesigen ehemaligen Bergbauflächen zwischen Bottrop und Essen sollen gemeinsam mit der Ruhrkohle Aktiengesellschaft (RAG) entwickelt werden, insgesamt rund 1.700 Hektar. Dazu beschloss der Rat die Beteiligung der Stadt Essen an der „Freiheit Emscher Entwicklungsgesellschaft“.

Heike Kretschmer begründete für DIE LINKE die grundsätzliche Zustimmung zu dem Projekt. Denn Freiheit Emscher wird DAS Stadtentwicklungsprojekt der nächsten Jahrzehnte – dabei geht es um weit mehr als die Sanierung der Flächen und die Ansiedlung von Gewerbe. Sie machte aber auf die Risiken bei den Altlasten aufmerksam, die angesichts der jahrzehntelangen industriellen Nutzung groß sind. Deren Beseitigung könnte möglicherweise die Erlöse für den Verkauf der Grundstücke überschreiten. Mit der Beteiligung an der Entwicklungsgesellschaft ist allerdings noch kein Ankauf der fünf großen Flächen von der RAG verbunden und es besteht auch kein Automatismus dazu. Jede Fläche wird einzeln geprüft und dann kommt es auf die jeweilige Vertragsgestaltung bei jedem konkreten Grundstücksgeschäft an.

Heike forderte, dass zukünftig vertraglich sichergestellt werden muss, dass die Sanierung der Flächen nicht zu Lasten der beiden Städte Essen und Bottrop geht, während die RAG in jedem Fall die Erlöse der Grundstücksverkäufe erzielt. Deshalb sollten z.B. die Verträge für den Kauf der Grundstücke eine Regelung enthalten, dass bei vorher nicht ersichtlichen Altlasten die RAG ihrer Verantwortung nachkommen muss, z.B. mit einer Art Nachschusspflicht.

Außerdem hat DIE LINKE den Antrag gestellt, dass zur Kontrolle für die Gesellschaft ein Aufsichtsrat eingerichtet werden soll, in dem alle Fraktionen zumindest mit beratender Stimme vertreten sein sollen. Bisher ist nur die Einführung eines politischen Beirates vorgesehen, der einmal im Jahr jeweils acht Ratsmitglieder informieren soll, aber ansonsten nichts zu melden hat. Heike machte deutlich, dass das im Zusammenhang mit den großen Risiken eindeutig nicht ausreicht. Außerdem legt die Gemeindeordnung NRW fest, dass die Gemeinde bei der Beteiligung an einer privaten Rechtsform „einen angemessenen Einfluss, insbesondere in einem Überwachungsorgan, erhält.“ Neben dem linken Antrag lag auch ein Antrag von FDP und EBB vor, der für den Beirat die Beteiligung aller Fraktionen vorsieht.

Beide Anträge sind gestern nicht abgestimmt worden. Die Frage, ob ein Beirat oder ein Aufsichtsrat eingerichtet werden soll, ist erst einmal ausgeklammert worden. Weil es auch in Bottrop dazu Diskussionen gibt, wird jetzt die Verständigung gesucht und darüber in der Ratssitzung im März entschieden.

Die Beteiligung an der Entwicklungsgesellschaft wurde einstimmig bei Enthaltung der AfD beschlossen.

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Essen braucht mehr Schulen

Hoch her ging es bei dem Umsetzungskonzept für den Bau von mehr Schulen. Mit dem Konzept macht die Verwaltung verschiedene Vorschläge für die dringend benötigten Schulneubauten und Erweiterungsmaßnahmen. Dabei geht es u.a. um eine systematische Untersuchung verfügbarer Grundstücke und mehr Personal für die Planungsverwaltung.

Shoan begründete die Zustimmung der linken Fraktion und den linken Antrag dazu. Die Verwaltung will künftig auch klassische Public-Private-Partnership-Modelle (PPP-Modelle) nutzen, obwohl viele Kommunen und andere Träger der öffentlichen Hand schlechte Erfahrungen mit PPP-Modellen gemacht haben. Sie hatten hinterher weitaus höhere Kosten als durch andere Formen der Finanzierung, da die beteiligten Unternehmen Gewinne erzielen müssen und höhere Zinskosten zu tragen haben als die öffentliche Hand. Shoan zählte Beispiele dafür auf.

Die linke Fraktion hat deshalb beantragt, dass vor dem möglichen Einstieg in die Nutzung eines PPP-Modells eine Kosten-Nutzen-Analyse sowie eine Darstellung der möglichen Risiken für die Stadt Essen vorgenommen und die Vertragsinhalte transparent und übersichtlich dargestellt werden sollen. Denn ohne eine solche Grundlage ist keine vernünftige Entscheidung möglich.

Außerdem stellt die Verwaltung eine durchgängige Umsetzung der erst 2020 verabschiedeten Standards der Schulbauleitlinie in Frage, da u.a. nicht ausreichend geeignete Schulhöfe zur Verfügung stehen. Die Rede ist von kleineren Schulhöfen, mehr Geschossen und eine Verkleinerung des Raumprogramms. Dazu haben CDU/Grüne einen Antrag gestellt, bereits jetzt schon Standards der Standardunterschreitung zu standardisieren, so Shoan, womit die erarbeiteten Qualitätsmerkmale der Schulbeileitlinie, die bereits Mindestanforderungen darstellen, untergraben werden. Schließlich leisten Raumprogramme einen wichtigen Beitrag zur Qualität der Unterrichtsarbeit und bieten die Grundlage zur Umsetzung des Lehrplans. 

Dagegen hatte die linke Fraktion beantragt, falls Abstriche bei der Schulbauleitlinie nicht vermeidbar sind, diese transparent und nachvollziehbar begründet darzustellen sowie zur Beschlussfassung vorzulegen. So würde bei jedem Einzelfall entschieden werden können, ob der Rat Abstriche bei den Standards in Kauf nimmt oder ob noch andere Lösungen denkbar sind. 

An dieser Frage entzündete sich eine Auseinandersetzung: insbesondere die CDU tat so, als würde eine Ablehnung des CDU/Grünen-Antrags dazu führen, dass gar keine Schulen mehr gebaut werden können und die SPD tat so, als würde sie in Zukunft wegen jeder noch so kleinen Abweichung von der Schulbauleitlinie lieber einen Neubau ablehnen. Da hätte sie sich besser ehrlich machen und dem linken Antrag zustimmen sollen, der allerdings abgelehnt wurde. Der CDU/Grüne-Antrag wurde nur mit den eigenen Stimmen verabschiedet, die Verwaltungsvorlage einstimmig.

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Grüne Hauptstadt Europas

Der zweite Fortschrittsbericht für die Grüne Hauptstadt Europas wurde zusammen mit der neuen Solarförderrichtlinie für 2023 diskutiert.

Heike legte bei dem Fortschrittsbericht den Finger in die Wunde, dass es insbesondere bei den Themen Mobilität und Luftverschmutzung schwer wird, die Ziele der Grünen Hauptstadt zu erreichen. So betont der Bericht, dass der Verkehrssektor ein Schlüsselsektor für die Verbesserung der Luftqualität und zur Senkung der Treibhausgas-Emissionen ist. Eine Veränderung ist hier aber erst mal nicht absehbar. So gab es in Essen zwischen 2015 und 2021 eine Zunahme an PKWs um 21.000 auf über 295.000 Stück, wobei nur 5,43 % dieser Fahrzeuge über alternative Antriebe verfügen.

Um den Modal Split von je 25 Prozent bis 2025 erreichen zu können, plädierte Heike einmal mehr für einen Ausbau der Taktzeiten von Bus und Bahn insbesondere morgens und abends. Dabei begründete sie auch gleich die Ablehnung der linken Fraktion gegen eine Weiterfinanzierung des Sammeltaxis „Bussi“, die gestern auch im Rat  beschlossen worden ist. Denn die 650.000 Euro könnten besser für den Ausbau der Nachtexpresse genutzt werden.

Heike begrüßte die Fortführung der Förderung für mehr Solaranlagen durch die Stadt, besonders dass jetzt auch Solar-Steckergeräte für Balkone in die Richtlinie mit aufgenommen werden. Das bisherige Förderprogramm ist sehr gut angenommen worden, weist aber eine sehr ungleiche Verteilung im Stadtgebiet aus. Die Stadtteile mit hohem Eigenheimanteil (Bezirk IX und VIII) verbuchen den Löwenanteil an geförderten Solaranlagen, weshalb Heike vorschlug, die Förderung vor allem in den Stadtteilen bekannter zu machen, in denen wenige Anträge gestellt wurden. Letztlich geht es auch um Klimagerechtigkeit und einen niederschwelligen Zugang. 

Gegen die Weiterführung der Solarförderung stimmte nur die AfD. 

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Und sonst?

  • Die Stadt Essen wird erstmals Etappenort der Deutschlandtour, dem größten Radsportevent in diesem Land. Dazu gab es Anträge von CDU/Grüne und SPD. Die Rede von Heike findet Ihr hier. Die linke Fraktion hat sich bei Verwaltungsvorlage enthalten, weil sie den abgelehnten Antrag der SPD unterstützt hat, der die Vorlage ersetzen sollte.
  • Für die digitale Transformation der Stadtverwaltung ist gestern einstimmig eine Digitalstrategieverabschiedet worden. Heike begrüßte es, dass dieser Prozess jetzt endlich Fahrt aufnimmt.