Anfragen

Ratsbericht Februar 2020

Mit dem Gefangenenchor gegen „Machtmissbrauch“

So musikalisch hochkarätig hat wohl noch nie eine Ratssitzung begonnen. Rund 100 TuP-Mitarbeiter/innen demonstrierten auf der Besuchertribüne  gegen den „unerträglichen Machtmissbrauch“ des TuP-Geschäftsführers Berger Bergmann. Hoch symbolisch sangen sie eine Passage des „Gefangenenchors“ aus der Verdi-Oper „Nabucco“. Sie fordern eine unabhängige, externe Person, die zur Aufklärung der „prekären Situation“ bei der TuP beitragen soll. Oberbürgermeister  Thomas Kufen vertröstete sie. Der OB hält aktuell weiter an dem von ihm eingesetzten „Schlichter“ Lothar Grüll fest, den die Belegschaft ablehnt.

 

Hierarchische Leitkultur oder Zusammenleben in Vielfalt?

Was soll für das Zusammenleben der unterschiedlichsten Menschen in Essen gelten? Eine hierarchische Leitkultur der Mehrheitsgesellschaft, in die sich die anderen einfügen müssen oder ein gleichberechtigtes Miteinander der Vielen? Für die gleiche Augenhöhe spricht sich das neue Konzept „Zusammenleben in Vielfalt“ des Kommunalen Integrationszentrums in seiner ursprünglichen Fassung aus. Mit Formulierungen in einem Änderungsantrag, wie z.B. das „wechselseitige Annäherung auch Integration in die Mehrheitsgesellschaft bedeutet“, hat sich die Groko dagegen für die hierarchische Leitkultur ausgesprochen.

Yilmaz Gültekin begründete für DIE LINKE im Rat, trotz kleinerer Kritikpunkte, die Unterstützung für das Konzept in seiner ursprünglichen Fassung und bedankte sich bei der Verwaltung  und den vielen Menschen aus der Zivilgesellschaft, die daran mitgearbeitet haben. Mit dem neuen Konzept werden erstmals die unterschiedlichen Handlungsfelder für Migranten und Geflüchtete zusammengeführt. Er erinnerte daran, dass die Gesellschaft Essens, des Ruhrgebiets und  der ganzen Welt  durch Migration, entstanden und vielfältig geworden sind. Dass die Groko den Satz aus dem Konzept streichen will, dass die Vielfalt durch Migration weiter wachsen würde, kritisierte er als Realitätsverweigerung. Genau die Stellen, die ein ehrliches, gleichberechtigtes Bild der Essener Stadtgesellschaft zeigen, sollen auf Wunsch der Groko gestrichen, verändert und verwischt werden. Yilmaz stellte fest, dass die Mehrheitsgesellschaft nicht vorschreiben darf,  wie Zugewanderte sein sollen und was sie machen müssen, um irgendwann als integriert zu gelten. Er plädierte dafür,  erkämpfte Freiheiten und Werte gemeinsam weiter auszubauen.

SPD-Ratsherr Martin Schlauch spielte die inhaltlichen Änderungen des Groko-Antrages  als „redaktionell“ herunter. CDU-Ratsherr Kalweit – bekannt für seine stockkonservative Haltung – reicht die Anerkennung des Grundgesetzes als Klammer der Gesellschaft nicht aus. Er forderte die Unterordnung aller unter „Werte und Normen“.     

Gegen diesen durchsichtigen Versuch wieder eine „Leitkultur“ zu verankern wendete sich Gabriele Giesecke. Sie kritisierte es als Realitätsverweigerung, dass die Groko nicht anerkennen will, dass „mit zunehmender Vielfalt auch keine ethnisch definierte Mehrheit verbunden werden kann.“  Selbstverständlich gilt für alle Menschen in Deutschland das Grundgesetz und alle müssen sich an Recht und Gesetz halten. Darüber hinaus können verschiedene Bevölkerungsgruppen durchaus unterschiedliche Normen und Werte entwickeln – die von der Groko geforderte  „Einordnung in Normen und Werte“  sei anachronistisch.  

Gegen die Stimmen von Linken und Grünen wurde der Groko-Antrag verabschiedet. Wegen dieser gravierenden Änderungen des Konzeptes enthielten sich bei der Endabstimmung  LINKE und Grüne, obwohl das Konzept in vielen konkreten Punkten ein Fortschritt ist.

Der Stadtrat verpasste mit seiner Beschlussfassung die Chance, Essen ein zukunftsweisendes Konzept zum Zusammenleben aller Bevölkerungsgruppen in einer globalisierten Welt zu geben. Verantwortlich ist vor allem die CDU, in der die rückwärtsgewandten, erzkonservativen Kräfte die Oberhand gewannen. 

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Posse um Resolution zum Altschuldenfond in mehreren Akten

Akt 1:  DIE LINKE im Rat macht Anfang des Jahres den anderen Fraktionen den Vorschlag, mit einer

gemeinsamen Ratsresolution das Land aufzufordern, endlich ein Konzept für eine Altschuldenregelung für die überschuldeten Kommunen vorzulegen. Denn jetzt ist ein günstiger Zeitpunkt. Die Zinsen sind noch niedrig und Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat zugesagt, dass sich der Bund zur Hälfte daran beteiligt. Die CDU-FDP-Landesregierung ist aber aktuell beim Thema auf Tauchstation.

Akt 2: Die Grünen wollen mitmachen. Die CDU will nicht mitmachen, weil sie das für überflüssig hält und sie neuerdings keine gemeinsamen Anträge mehr mit den LINKEN stellen will. Die SPD darf deshalb auch nicht mitmachen, obwohl sie gerne würde. Grüne und LINKE entwerfen gemeinsam einen Textvorschlag für die Resolution und bieten sie den anderen Fraktionen an.

Akt 3: Die Ablehnung der CDU gerät ins Wackeln, weil es dort Kräfte gibt, die eine solche Resolution auch wichtig finden. Die Hardliner dort wollen aber nach wie vor keinen gemeinsamen Antrag mit der Fraktion DIE LINKE.

Akt 4: Es wird getrickst. Die Groko übernimmt den Antragsvorschlag von Grünen und LINKEN, streicht einen Halbsatz und schlägt diesen Text den Grünen und der FDP als gemeinsamen Antrag vor. DIE LINKE wird damit von CDU und SPD ausgegrenzt, trotzdem gehen die Grünen mit auf den Antrag der Groko.

Akt 5: DIE LINKE stellt ihren Antrag am Tag vor der Ratssitzung, kurz danach stellen die Fraktionen von SPD/CDU/Grüne/FDP „ihren“ Antrag. Er ist fast identisch, bis auf den Halbsatz, dass die Landesregierung verbindliche Aussagen über ihren Beitrag zur Altschuldenlösung treffen soll.

Akt 6: Bei der Tagesordnungsdebatte schlagen die Grünen eine Verschiebung der Resolution in den nächsten Rat im März vor, um bis dahin eine Lösung für eine gemeinsame Resolution aller Fraktion zu finden. Das wird angenommen. Die Posse geht weiter. Über den Schlussakt berichten wir im nächsten Ratsbericht.

Fazit: Alle sind sich einig, dass es eine Altschuldenregelung geben muss. Schließlich ist die Stadt Essen mit rund 2 Mrd. Euro bis über beide Ohren verschuldet. Einer gemeinsamen Resolution steht inhaltlich nichts im Wege. Durch die unsinnige Ausgrenzungspolitik der CDU gegenüber der LINKEN verursacht die CDU in Essen zwar kein politisches Chaos wie in Thüringen. Trotzdem wird unnötige Zeit und Energie vertan. Es ist schlicht überflüssig. Schließlich sind schon viele gemeinsame Anträge der Fraktionen in den unterschiedlichsten Konstellationen verabschiedet worden. Das hat der politischen Kultur nicht geschadet – im Gegenteil.

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Flughafen Essen/Mülheim: Unfreundlicher Akt der Stadt Mülheim

Der Rat der Stadt Mühlheim hat Anfang Februar beschlossen, dass der Erbbaupachtvertrag mit der WDL Luftschiffgesellschaft mbH bis 2034 verlängert werden soll, möglicherweise sogar bis über 2034 hinaus. Dabei gibt es schon längst einen gemeinsamen Prozess der Städte Essen und Mülheim, um einen Masterplan für die Zeit nach dem Flughafenbetrieb zu erstellen. Deshalb haben die Grünen beantragt, Mülheim aufzufordern, die Vertragsverlängerung erst nach der Erstellung dieses Masterplanes vorzunehmen. Außerdem soll der Mülheimer Ratsbeschluss als unfreundlicher Akt gewertet werden.

Wolfgang Freye begründete für DIE LINKE im Rat die Unterstützung des Antrages.  Es ist ein Affront der sich gewaschen hat, dass Mülheim ohne Absprache mit der Stadt Essen einfach einseitig Fakten schafft, obwohl eine gemeinsame Entwicklung der Fläche vereinbart worden ist. Wolfgang kritisierte die defensive Herangehensweise der Stadtverwaltung. Denn es liegt seit Jahren ein Rechtsgutachten der Kanzlei Lenz-Johlen vor, dass ein Flughafenausstieg schon 2024 möglich ist, wenn die Pachtverträge mit der Firma Wüllner auslaufen. Leider hat sich die Verwaltung dieser Sichtweise nie angeschlossen. Wolfgang plädierte dafür, den Masterplan weiter zu entwickeln, damit der unnötige Fluglärm endet und mit der riesigen Fläche etwas Vernünftiges angefangen wird, z.B. zur Nutzung für Wohnraum und Gewerbe. Der Antrag der Grünen wurde abgelehnt.

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Grüne Ziele der Stadt Essen bis 2027 nicht ausreichend

Es lohnt sich nicht nur für klimapolitisch Interessierte, die Kenntnisnahme der Stadtverwaltung zum aktuellen Stand ihrer grünen Ziele zu lesen. Es geht um 12 Themenfelder, die im Rahmen der Grünen Hauptstadt definiert worden sind, wie z.B. die Felder CO2-Einsparung, Nahverkehr, Luftqualität, Abfallvermeidung, Wasserwirtschaft, Energieeffizienz und einiges mehr. Wolfgang regte an, diese Ziele mit den Europäischen Klimaschutzzielen und den Zielen von KlimaaktivistInnen wie den fridays for future zu vergleichen. So kann erkannt werden welche Defizite es noch gibt.

Wolfgang kritisierte, dass es in Essen mit der Verkehrswende nicht schnell genug voran geht. Immer wenn es konkret für Verbesserungen beim Rad- und Nahverkehr wird, bremst die Groko aus. So geschehen bei der Umweltspur auf der Schützenbahn, der neuen Verkehrsregelung auf der Rüttenscheider Straße oder der Fahrradstraße zwischen dem Südviertel und Frohnhausen. Der Erhalt von Parkplätzen wird für wichtiger erachtet als eine Verbesserung für den Radverkehr. Da wäre es besser, Parkraumkonzepte für die Stadtteile  zu entwickeln als den Fahrradverkehr weiter zu behindern. Die Veränderungen dauern zu lange, Wolfgang forderte  mehr Tempo. Er schlug vor, dass die Verwaltung Bereiche schafft, aus denen das Auto ganz herausgehalten wird. Dafür würde sich das geplante neue Quartier 51 anbieten. Denn die Erfahrungen aus anderen Städten  zeigen überwiegend positive Effekte auch für den Einzelhandel.

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LINKE gegen verkaufsoffene Sonntage

Insgesamt zehn verkaufsoffene Sonntage sind vom Rat der Stadt gegen die Stimmen der LINKEN und der Tierschutz/SLB-Fraktion bei Enthaltung der Grünen beschlossen worden. Ezgi Güyildar stellte fest, dass sich DIE LINKE im Rat den Werten der Arbeiterbewegung verpflichtet fühlt, wenn sie sich strikt gegen jegliche Sonntagsöffnungszeiten stellt. Sie forderte die CDU auf, an Ihre christlichen Werte zu denken und den freien Sonntag zu retten. Ezgi kritisierte die Verwaltung, die immer neue Anlässe konstruieren würde und trug einige von 12 pfiffigen Argumenten der Gewerkschaft verdi für den freien Sonntag vor.

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Und sonst?

Gabriele Giesecke stellt für DIE LINKE im Rat eine Anfrage, welche Planungen es bei der Verwaltung gibt, die Internetseite der Stadt sowie die Sitzungen des Rates in Gebärdensprache zu übersetzen. Das ist bisher nicht der Fall. Weil viele Gehörlose nicht oder nur eingeschränkt die Schriftsprache lesen können, werden sie so von der Teilhabe ausgeschlossen.