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Ratsbericht März 2019

Rat wendet sich gegen Arbeitnehmerinteressen

Über Arbeitnehmerinteressen setzt sich der Stadtrat gern mal hinweg. Mit fadenscheinigen Argumenten lehnten die anderen Fraktionen einen Antrag der LINKEN ab, der sich für die Rechte der Beschäftigten in städtischen Gesellschaften einsetzte. Lediglich die Grünen konnten sich wenigsten für eine Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat der neuen Immobilienholding erwärmen. Besonders enttäuschend war die Reaktion SPD-Fraktion: Während die SPD auf Bundesebene gern mal "links blinkt", können sie sich im Essener Rat nicht für die abhängig Beschäftigten erwärmen.

 

Für Arbeitnehmerrechte in der neuen Immobilienholding

DIE LINKE im Rat hat zu der geplanten neuen Immobilienholding der Stadt einen Antrag für gleiche Bezahlung im „Konzern“ Stadt gestellt sowie für die Beteiligung der Arbeitnehmer am neuen Aufsichtsrat. Beides ist bisher nicht vorgesehen und wurde von allen anderen Fraktionen, bis auf die Grünen, mit dürren Argumenten abgelehnt. Worum geht es?

Die Immobiliengesellschaften der Stadt Essen sollen verschlankt und Doppelstrukturen abgebaut werden. Dazu wird die Allbau GmbH und die Grundstücksverwaltung Essen (GVE) demnächst von einer neuen Immobiliengesellschaft gemeinsam gesteuert. Das hat Gabriele Giesecke für DIE LINKE im Rat auch als sinnvoll begrüßt. Allerdings gibt es vom Standpunkt der Arbeitnehmerrechte zwei dicke Haken. Die Gesellschaft ISE (Immobilien Service Essen), die Hausmeistertätigkeiten für die Allbau sowie das Reinigen der Hausflure erbringt, ist ausgelagert und soll es auch bleiben. So kann sie der Allbau weiterhin ihre Leistungen in Rechnung stellen, die diese auf die Mieter umlegt. Allerdings werden die dreißig Hausmeister in der ISE nur nach dem Tarif des Sicherheitsgewerbes bezahlt und die achtunddreißig Reinigungskräfte nur nach dem Tarif der Gebäudereiniger. Diese Tarifverträge sind zum Teil deutlich schlechter für die Beschäftigten als der Tarif der Wohnungswirtschaft, der bei der Allbau angewendet wird. 

Außerdem sollen im neuen Aufsichtsrat die Arbeitnehmer nicht mehr vertreten sein. Im Aufsichtsrat der Allbau sind sie das bisher, der aber künftig wegfällt. Für die neue Gesellschaft ist ein fakultativer, also freiwilliger, Aufsichtsrat vorgesehen, bei dem die Beteiligung der Arbeitnehmer gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Es ist aber rechtlich möglich, das im Gesellschaftsvertrag zu vereinbaren.

Gabi begründete den linken Antrag, der die Beteiligung der Arbeitnehmer forderte sowie die Verschmelzung der ISE auf die Allbau  bzw. die gleiche Bezahlung für alle Beschäftigten. Schließlich ist es gute Sitte, die Arbeitnehmer zu beteiligen und es sollte der Standpunkt „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gelten. Dafür müsse DIE LINKE doch bei der SPD eigentlich offene Türen einrennen, die sich neuerdings auf Bundesebene verbal wieder deutlich linker positioniert. Pustekuchen! Leider waren sich die SPD, CDU und FDP sowie Stadtkämmerer Gerhard Grabenkamp nicht zu schade, den Antrag mit dem Vorwurf auszukontern, DIE LINKE würde für eine Steigerung der Mietkosten sorgen. Gabi stellte das klar: Selbst wenn die 68 Beschäftigten der ISE mehr Geld verdienen, würde sich das angesichts von 18.000 Mietern nur marginal auf die einzelnen Mieter auswirken. Tatsächlich würde grob gerechnet eine Lohnerhöhung von 100 Euro monatlich pro Beschäftigten für jeden Mieter gerade einmal 38 Cent ausmachen.

Interessant war, dass Stadtkämmerer Gerhard Grabenkamp erläuterte, dass erst "demnächst" über die Besetzung des Aufsichtsrates entschieden wird und deshalb der Antrag überflüssig sei. Gabi machte darauf aufmerksam, dass eine politische Festlegung des Rates zur Arbeitnehmerbeteiligung schon jetzt sinnvoll ist: Die Arbeitnehmer sollten nicht im Ungewissen gelassen werden, vor allem, weil die Verwaltung die Arbeitnehmerbeteiligung offensichtlich nicht will. Damit sich das ändert, ist politischer Druck weiterhin notwendig. Dafür bleibt DIE LINKE im Rat im Austausch mit dem Betriebsrat der Allbau und den Gewerkschaften. Zur Verwaltungsvorlage hat sich DIE LINKE enthalten, weil ihre Ergänzungsanträge abgelehnt worden sind.

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VHS-Gelände für Neubau der Frida-Levy-Gesamtschule nutzen

Es war eine dicke Überraschung, als der Projektentwickler Köbl Kruse vor drei Wochen vom Kauf des ehemaligen VHS-Geländes abgesprungen ist. DIE LINKE im Rat hat daraufhin den Antrag gestellt zu prüfen, ob das Grundstück jetzt doch für einen Neubau der Frida-Levy-Gesamtschule genutzt werden kann und möglicherweise auch für den Wohnungsbau. Weil die Fraktionen von SPD/CDU/Grüne und FDP einen ähnlichen Antrag gestellt haben, hat DIE LINKE ihren zurückgezogen. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.

Wolfgang Freye begrüßte den Protest der Schülerinnen und Schüler. 1.000 hatten noch einen Tag vor der Ratssitzung vor dem Rathaus demonstriert. Die Schulleitung hat alle Ratsfraktionen angeschrieben, das Anliegen der Schule zu prüfen. Dieses Engagement hat sich gelohnt, so Wolfgang. Auch wenn noch keine Entscheidung für den Bau der Schule getroffen wird, ist es ein guter Tag für die Schüler. Denn immerhin wird der Verkauf des Grundstücks an den Zweitbietenden erst einmal ausgesetzt und eine Machbarkeitsstudie zum Teilneubau der Frida-Levy-Schule auf dem ehemaligen VHS-Gelände erstellt. Ende Mai soll die Entscheidung im Rat fallen.

Wolfgang regte an, wegen der Knappheit der Grundstücke in Essen endlich über einen Kurswechsel nachzudenken. Die Stadt sollte insbesondere im Innenstadtbereich keine Grundstücke mehr verkaufen, sondern diese wenn, dann über Erbbaurecht an Dritte vergeben. Mit einem Verkauf städtischer Grundstücke gibt die Stadt Möglichkeiten der Stadtentwicklung aus der Hand.

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Schaffung von Wohn- und Gewerbeflächen auf Dächern

Dem Mangel an neuen Wohnbauflächen kann auch ohne Bodenversiegelung begegnet werden, indem eingeschossige Supermärkte mit Wohnungen aufgestockt werden. Das soll die Verwaltung näher untersuchen, haben die Grünen beantragt. SPD, CDU und FDP lehnten diesen Antrag ab, weil er angeblich überflüssig sei, da die Verwaltung bereits so handeln würde.

Die Ratsfraktion DIE LINKE unterstützte den Antrag. Wolfgang begründete, warum es sinnvoll ist, ein Gesamtkonzept zur Entwicklung von Dachflächen zu erarbeiten. Das ist angesichts von 16 – 19.000 Wohnungen, die nach unterschiedlichen Prognosen von Stadt und Land bis zum Jahr 2030 fehlen, auch dringend notwendig. Für DIE LINKE im Rat hat die Innenentwicklung Vorrang vor weiterer Flächenversiegelung. Viele Städte entwickeln solche Konzepte, wie Frankfurt und Düsseldorf. Auch in Berlin hat die linke Bausenatorin Katrin Lompscher eine Untersuchung von Dachflächen durchgeführt, als deren Folge demnächst im ersten Zug 50 Dachflächen von Supermärkten bebaut und jeweils 50 – 100 neue Wohnungen geschaffen werden. Wolfgangs Empfehlung an die große Koalition war, sie solle mal in Berlin nachfragen, wenn sie es nicht selber könnten. Selbst wenn die Verwaltung bereits auf die Bebauung von Dachflächen achtet, insbesondere bei Neubauten, spricht überhaupt nichts gegen  eine politische Festlegung. Denn das sollte nicht nur im Belieben der Verwaltung stehen.

Karlgeorg Krüger von der FDP witterte gleich eine „sozialistische Planwirtschaft“, wenn die Planungsverwaltung aufgefordert wird, das zu machen wozu sie da ist: zu planen. Immerhin erläuterte Planungsdezernent Hans-Jürgen Best, dass neuerdings auch Wohnungen mitgeplant werden und die Verwaltung dies vor Erteilung einer Baugenehmigung mit den Bauherren regelt, sobald ein Supermarkt neu entsteht. Ansonsten ist er der Meinung, der Markt werde es schon richten. Diese Auffassung wird gerade auf dem Wohnungsmarkt völlig widerlegt und grenzt an Arbeitsverweigerung für einen Planungsdezernenten.

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Für eine bessere Schulverpflegung

Das EBB hat einen Prüfauftrag für eine Verbesserung der Schulverpflegung gestellt, der bereits im Schulausschuss abgelehnt worden ist. Ezgi Güyildar begründete, warum sich DIE LINKE im Rat bei diesem Antrag enthalten hat: Denn DIE LINKE hat bereits im Februar im Schulausschuss einen ähnlichen Antrag gestellt, als bekannt wurde, dass die städtische RGE die Kioske in den Schulen aufgeben will. Die LINKE hatte u.a. beantragt, dass die Verwaltung einen Sachstandsbericht zur bisherigen Umsetzung des Aktionsplans Schulverpflegung geben soll. Jetzt gibt es eine Zusage der Verwaltung im Mai endlich einen Sachstandsbericht zur Schulverpflegung vorzulegen. Der Antrag des EBB ist so überflüssig geworden.

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Bürgerbeteiligung des Bürgerforums respektieren

Bei dem Bürgerforum im letzten Jahr haben rund 500 Bürgerinnen und Bürger aus der ganzen Stadt verschiedene Flächen, die die Stadt für eine Bebauung vorgeschlagen hat, bewertet und priorisiert. Diese Vorschläge sollen jetzt von der Verwaltung näher geprüft und dem Planungsausschuss zur Beratung vorgelegt werden. Dazu hatten die Grünen den Antrag gestellt, alle Grünflächen, Landwirtschaftsflächen, Kleingartenflächen, u.ä. von vornherein auszuklammern.

Wolfgang begründete für DIE LNKE im Rat, warum sie der Verwaltungsvorlage zustimmt und den grünen Antrag ablehnt. Es geht jetzt darum, den Prozess fortzuführen, der mit der Bürgerbeteiligung eingeleitet worden ist. Bei einer Bürgerbeteiligung geht es nun mal darum, dass die Politik Entscheidungshoheit abgibt und so einen Raum für einen direkten Dialog zwischen Bürgern und Verwaltung zulässt. Die Bürger haben sich geäußert, jetzt ist die Verwaltung am Zuge und dann kommt die politische Entscheidung.

Wolfgang griff die Grünen an, die ansonsten ja immer für mehr Bürgerbeteiligung eintreten, aber hier kneifen, wo es konkret und ernst wird. Er betonte, dass man nicht nur über die Frage „Wo wollen wir wohnen?“ – so war der Titel des von der Verwaltung ausgerichteten Bürgerforums – sondern auch um die Frage „Was wollen wir bauen?“ gehen muss. Aus Sicht der Linken muss es vor allem darum gehen muss, preiswerten Wohnraum und Mehrfamilienhäuser zu schaffen. Tatsächlich waren bei den im letzten Jahr in Essen gebauten neuen Gebäuden 70 Prozent Einfamilien- und Doppelhäuser. Bei solchen Bauten ist der Flächenverbrauch riesig und der Wohnnutzen gering.

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Mehr Geld für die Sportvereine

Die Sportvereine, die ihre Anlagen in Eigenverantwortung betreiben, erhalten eine Erhöhung der städtischen Zuschüsse für die Unterhaltungs- und Betriebskosten. Yilmaz Gültekin begrüßte das für DIE LINKE im Rat. Er gab aber zu bedenken, dass seit zehn Jahren keine Erhöhung mehr vorgenommen worden ist und es deshalb allerhöchste Zeit für eine Anpassung war. Die Erhöhung der Zuschüsse um 35 Prozent hört sich viel an, ist aber nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Yilmaz rechnete vor: Wenn eine Person jeden Tag nur zwei Stunden z.B. als Platzwart arbeitet, kann diese Erhöhung noch nicht einmal bei einem Stundensatz von 5 Euro diesen Platzwart ein volles Jahr lang finanzieren. Die Sportstätten überleben nur, weil dort viel wertvolle Arbeit durch Ehrenamt vollbracht wird. Deshalb dürfen solche Anpassungen nicht nur alle zehn Jahre stattfinden.

Yilmaz machte darauf aufmerksam, dass die Sportplätze der Ort sind, an dem die Menschen zusammenkommen. Dort wird nicht nur über Integration gesprochen, sie wird dort gelebt. Die Sportdezernentin Simone Raskob verteidigte in der Debatte die Erhöhung der Zuschüsse gegen Einwände des Ratsherrn Menno Aden. Durch die Eigenverantwortung der Sportvereine hat die Stadt Essen deutlich weniger Kosten, als wenn sie die Anlagen selber pflegen müsste.

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Und sonst?

  • Der Rat hat gestern die Weichen für einen möglichen Verkauf der STEAG-Anteile der Stadt Essen gestellt, indem er u.a. der Änderung des Gesellschaftsvertrages der Kommunalen Beteiligungsgesellschaft (KSGB) zugestimmt hat. Da es sich als Illusion herausgestellt hat, die Steag in einen regionalen, ökologisch aufgestellten Energieversorger umzuwandeln, unterstützt DIE LINKE den anvisierten Verkaufsprozess. 
     
  • Das Essener Bürger Bündnis (EBB) ist jetzt keine Fraktion mehr und besteht nur noch aus den beiden ehemaligen Piraten, die vor einiger Zeit erst zum EBB gewechselt sind. Jochen Backes, der ursprünglich für die AfD in den Rat gekommen ist, hat mit zwei anderen Ex-EBB-Mitgliedern die Fraktion Bürgerliche Mitte Essen (BME) gegründet. Damit wird das unwürdige, undemokratische und das Votum der Wähler missachtende „Bäumchen-Verwechsel-Dich“-Spiel im Rat munter weiter betrieben.