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Ratsbericht August 2020

RadEntscheid verabschiedet - großer Erfolg für Verkehrswende

Rat streitet über Krankenhausversorgung im Essener Norden 

Der Essener Norden ohne Krankenhaus – das geht gar nicht! Darüber sind sich die Parteien im Rat der Stadt größtenteils einig, nur nicht über das Wie. Mit großer Mehrheit unterstützte der Rat außerdem den RadEntscheid, wenn auch viele Ratsmitglieder nicht wirklich mit vollem Herzen.

In der letzten Ratssitzung vor der Kommunalwahl betrieb die CDU-Fraktion ihre Ausgrenzung gegen DIE LINKE auf die Spitze, was zu grotesken Situationen führte. Trotzdem wurden gleich „zweieinhalb“ LINKE Ratsanträge in ähnlicher Form angenommen, indem die Groko sie einfach übernahm. Das gibt es auch nicht oft. 

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Für eine Krankenhausversorgung im Essener Norden

Um die Gesundheitsversorgung im Essener Norden gab es eine kontroverse Debatte. Dafür sorgten drei Anträge der Groko, der Tierschutzpartei-SLB-Fraktion und der Ratsfraktion DIE LINKE. Immerhin hat der Rat mit großer Mehrheit Contilia dazu aufgefordert, nicht weiter Fakten zu schaffen und die Schließungen des Marien- und des Vincenz-Hospitals zumindest bis zum Vorliegen eines Konzeptes zur Gesundheitsversorgung im Norden nicht weiter kopflos voranzutreiben. Das war auch ein Bestandsteil des linken Antrages. Aber es ist schon ein schlechter Witz, dass die GroKo allen Ernstes beschlossen hat, zur Not selbst ein Krankenhaus zu bauen, das dann von "Contilia oder einer anderen Krankenhausgesellschaft" betrieben werden könnte. Gabi lehnte es für DIE LINKE ab, den Bock zum Gärtner zu machen und begründete den linken Antrag. Die Stadt Essen selbst muss in der Krankenhausversorgung tätig werden, sie sollte dazu eine eigene Gesellschaft gründen, die – wenn sich die Möglichkeit bietet - auch ein Krankenhaus übernehmen und führen sollte. Das müsste eine Lehre aus dem Contilia-Desaster sein. Dafür sollte die Verwaltung beauftragt werden, ein Konzept zu entwickeln. Die Groko lehnte den linken Antrag ab, u.a. weil die Gründung einer kommunalen Krankenhausgesellschaft nicht die erste, sondern die zweite Option sei, so Ratsherr Martin Schlauch von der SPD-Fraktion. Damit lässt die SPD-Ratsfraktion zum wiederholten Mal den SPD-Oberbürgermeisterkandidat Oliver Kern im Regen stehen, der sich dafür ausgesprochen hat, auch eine kommunale Übernahme der Krankenhäuser zu prüfen.

Gabi kritisierte an dem Groko-Antrag außerdem, dass er die Katholische Kirche nicht in die Verantwortung nimmt, wie es der linke Antrag vorsieht. Angesichts der extrem hierarchischen Strukturen der Katholischen Kirche sollte doch ein Durchgriff auf die Contilia-Gesellschafter – vorrangig die kath. Elisabeth-Stiftung – möglich sein. Ein Krankenhaus im Essener Norden ist schon deshalb notwendig, weil die verbreitete Armut größerer Bevölkerungsteile eine schlechtere Gesundheit mit sich bringt. Deshalb ist eine Konzentration auf die südlich der A 40 gelegenen Stadtteile, die die Contilia gerade vorantreibt, sozialpolitisch völlig verantwortungslos. Gabi erwähnte den vielfältigen Protest der Katernberg- und Altenessen-Konferenzen, die viele tausend Unterschriften gesammelt haben. 

Beifall von der FDP bekam die grüne Fraktion für ihre resignative Haltung, Krankenhauspolitik wäre Ländersache und da wäre halt in Richtung Versorgung im Norden nichts zu machen. Für diese schulterzuckende Haltung bekamen die Grünen auch Kritik von der SPD-Fraktion, die mit der CDU eine gemeinsame Haltung des Rates anmahnte. Schade nur, erwiderte Wolfgang Freye darauf in einem zweiten Beitrag für DIE LINKE, dass beide Fraktionen keinen Versuch unternommen haben, im Vorfeld einen interfraktionellen Antrag auf den Weg zu bringen und kritisierte, dass sich das Land „einen feuchten Kehricht“ darüber schert, wie die interne Verteilung der Krankenhäuser in der zehntgrößten Stadt Deutschlands aussieht. Hauptsache die Zahl der angeblich zu vielen Betten sinkt in der MEO-Region insgesamt. Bereits unter der grünen Gesundheitsministerin Barbara Steffens wurde vereinbart, dass 1.500 Betten abgebaut werden sollen. Mittlerweile gibt es nicht erst angesichts der Pandemie ernsthafte Zweifel an den Zahlen der Landesregierung. Gesundheit darf keine Ware sein und nicht nach Profitgesichtspunkten geregelt werden. Dafür kämpft DIE LINKE, so Wolfgang abschließend: „Gesundheit darf nicht dem Profit untergeordnet werden!“

Zum Schluss der Debatte kündigte Sozialdezernent Peter Renzel noch an, dass es einen Fahrplan für Gespräche mit Akteuren und Experten aus der Gesundheitspolitik geben wird. Am kommenden Montag ist ein Gedankenaustausch mit Gesundheitsminister Jens Spahn und mit Vertreter:innen der Kassenärztlichen Vereinigung vorgesehen. Bei Gesprächen mit dem Landesgesundheitsminister Laumann habe dieser versichert, dass die Fördergelder in Höhe von 94 Mio. Euro, die Contilia für den Neubau des Marienhospitals zugesichert wurden, weiter zur Verfügung stehen würden. Wenn sie nicht verbaut werden, fallen sie an den Bund zurück. Darüber wird am Dienstag im Sozialausschuss berichtet.

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Bürger:innen treiben Verkehrswende voran

Die Bürger:innen der Stadt erreichen mit ihren 23.693 Unterschriften für den RadEntscheid eine echte Zäsur in der Essener Verkehrspolitik. Der Rat der Stadt hat die sieben ehrgeizigen Ziele des RadEntscheides 1:1 übernommen. Damit wird ab 2022 der Radwegeausbau massiv vorangetrieben. 

Wolfgang Freye erklärte, dass er schon ein bisschen Stolz ist, dass der RadEntscheid noch in der vorletzten Ratssitzung dieser Wahlperiode verabschiedet wird und beglückwünschte die Initiator:innen. Wenn er tatsächlich so umgesetzt wird, wird das zu einem Paradigmenwechsel in der Essener Verkehrspolitik und bei der Stadtentwicklung kommen. Er erinnerte daran, dass viel Zeit vertan worden ist durch viele „ätzende“ Diskussionen über wegfallende Parkplätze oder die Umweltspur im Planungsausschuss, wobei die Groko oft genug als Bremser aufgetreten ist. Auch hätte eine Annahme der linken Anträge bei den letzten Haushaltsberatungen, für den Ausbau des Radwegenetzes und mehr Planstellen, bereits ein erster Einstieg sein können. Wolfgang widersprach dem Fraktionsvorsitzenden der CDU, Jörg Uhlenbruch, der vorher in seiner Rede wieder die Richtschnur aufstellte, dass ein Ausbau der Radwege nicht zu Lasten des Autoverkehrs gehen dürfe. Tatsächlich beinhaltet der RadEntscheid den Grundsatz, dass der Ausbau der Radwege nicht zu Lasten des Fußverkehrs stattfinden soll, aber eine Neuordnung des heute vom Pkw-Verkehr beanspruchten öffentlichen Raums unausweichlich zur Erreichung der Ziele ist. Das ist nun Beschluss.

Im Vorfeld der Ratssitzung hat sich die CDU-Fraktion geweigert, einen überfraktionellen Antrag mit Beteiligung der Fraktion DIE LINKE zu stellen, die den Entscheid von Anfang an unterstützt hat. Deshalb lagen m Rat zwei wortgleiche Anträge mit dem Text des Bürgerbegehrens vor, ein Antrag von SPD/CDU/Grüne und ein Antrag der Ratsfraktion DIE LINKE. Das ergab bei der Abstimmung eine groteske Situation: Der Antrag von SDP/CDU/Grüne wurde gegen die Stimmen von FDP und EBB mehrheitlich verabschiedet, der wortgleiche linke Antrag mit der Mehrheit der GroKo abgelehnt. Damit hat der Rat seinen Sekunden zuvor gefassten Beschluss quasi im selben Atemzug wieder einkassiert. Wolfgang forderte deshalb eine rechtliche Klärung durch die Stadt, was denn jetzt gilt. Erst als der OB die Wahl wiederholen ließ, herrschte Klarheit. Es ist eben schlecht für die politische Kultur und Unsinn, wenn sich demokratische Parteien gegenseitig ausgrenzen.

Die CDU-Fraktion weigert sich in ideologischer Verblendung beharrlich mit der LINKEN gemeinsame Anträge zu stellen, selbst bei inhaltlicher Übereinstimmung. Sie schreckt aber nicht davor zurück, unsere Anträge zu „kupfern“. DIE LINKE hatte einen zweiten Antrag gestellt, dass bereits für das kommende Jahr acht zusätzliche Planstellen eingerichtet werden sollen, damit mit den planerischen Vorarbeiten für die Verkehrswende schnell angefangen werden und es nicht zu unnötigen Verzögerungen kommt. Insgesamt werden mittelfristig sogar neunzehn zusätzliche Stellen notwendig. Kurz vor der Ratssitzung legte die Groko mit einem eigenen ähnlichen Antrag nach, der zwar viel unkonkreter ist, aber immerhin beschlossen wurde.

Vor der Debatte haben die drei Vertretungsberechtigten des RadEntscheides kurze Statements gehalten, in der sie die Motivation und ihre Wünsche und Forderungen darlegten. Der Beifall aus den Reihen der Groko fiel äußerst spärlich aus. Zusammen mit der jahrelangen Bremserei bei der Verkehrswende unterstrich das den Gesamteindruck, dass hier zwei Parteien kurz vor der Kommunalwahl angesichts der beeindruckenden Unterstützung aus der Bevölkerung gar nicht anders konnten und zum Jagen getragen wurden. Wolfgang unterstrich die große Bedeutung von Bürger:innenbeteiligungen als ein wichtiges Mittel der Politik, mit der die Bürger:innen konkreten Einfluss nehmen und Verbesserungen durchsetzen können.

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Aktionsprogramm Klimaschutz - Keine Null bis 2030

Essen soll 60 Prozent weniger Treibhausgase bis 2030 ausstoßen im Vergleich zu 1990 und bis zum Jahr 2050 eine Netto-Null-Emission erreichen. Das hat der Rat der Stadt beschlossen, bei Enthaltung der linken Fraktion. Wir haben den Antrag der Grünen unterstützt, dass die Stadt Essen schon bis 2030 klimaneutral wird. 

Wolfgang stellte für DIE LINKE fest, dass Essen nicht bei Null anfängt, um auf Null zu kommen. Es gibt Aktionsprogramme und Klimaberichte, die sich im Vergleich zu anderen Städten sehen lassen können. Trotzdem reicht das nicht aus, denn es ist dringend erforderlich schneller auf null CO2 zu kommen. 60 Prozent bis 2030 reichen nicht aus, um die Begrenzung der Klimaerwärmung um 1,5 Grad hinzubekommen, zu dem sich auch Deutschland im Pariser Klimaabkommen verpflichtet hat. Aus dem aktuellen Klimabericht der Stadt geht hervor, dass die Stadt hinterher hängt. Mit der Beteiligung an RWE ist die Stadt immer noch an einem Stein- und Braunkohlekonzern und dem größten CO2-Emmittenten Europas beteiligt, was hochproblematisch ist. 

Weil sich der Rat der Stadt geweigert hat, Petra Bösing, eine der Vertretungsberechtigen des KlimaEntscheides Rederecht zu gewähren, zitierte Wolfgang eine längere Passage aus ihrem Redemanuskript – sie freute sich sehr darüber dass, es nun nicht „für die Tonne“ war. Petra Bösing führte aus, dass es erfreulich sei, dass sich der Rat des Themas annimmt, aber es mache den Anschein, dass die Dringlichkeit vielen trotzdem nicht bewusst ist. Denn bereits Ende 2027 soll das CO2-Budget für die Erreichung des 1,5-Grad-Zieles verbraucht sein, 2045 das für das 2-Grad-Ziel. Ab einer Erwärmung um 2 Grad gegenüber vorindustriellen Werten werden laut Wissenschaft klimatische Kipppunkte erreicht, die höchst drastische Folgen hätten und daher dringend zu verhindern sind. Petra Bösing wies darauf hin, dass das Ruhrgebiet eines kann und zwar Wandel. Dieser muss jetzt schnell angegangen werden, denn jede Verzögerung beim Klimaschutz lässt auch die Kosten überproportional steigen. 

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Grillzonen werden eingerichtet – LINKE setzt Standards durch

Das Grillen in den Essener Parks wird ab dem nächsten Jahr nur noch in ausgewiesenen Grillzonen erlaubt sein. Das hat der Rat der Stadt beschlossen. DIE LINKE hat beantragt, dass es ausreichende dezentrale Grillzonen in allen Stadtteilen geben muss. Außerdem sind mehr Müllbehälter notwendig und die Einrichtung öffentlicher Toiletten sowie der Einsatz von Grill-Scouts, die den Parkbesuchern dabei helfen, die Anlagen sauber zu halten. 

Gabi wies in ihrer Rede darauf hin, dass ausreichende Grillzonen notwendig sind, damit die Menschen nicht ausgeschlossen werden, die über keinen eigenen Garten oder Balkon verfügen. Sie erwähnte, dass das Grillen ein emotionales Thema sei, die Diskussion wird zum Teil mit rassistischen Untertönen geführt. Da die Grünflächen aber von vielen Menschen unterschiedlich genutzt werden, machen Grillzonen Sinn, genauso wie Bolz- und Spielplätze, Skate-Anlagen oder Ähnliches, um die Interessenkonflikte abzubauen und unterschiedlich Nutzungen nebeneinander zu ermöglichen.

Überraschenderweise hat die Groko aus SPD und CDU den linken Antrag kurzfristig in wesentlichen Punkten übernommen bzw. in einen eigenen gepackt und an einem Punkt sogar noch erweitert. So sollen Parkhüter im Rahmen von Beschäftigungsprogrammen des Sozialen Arbeitsmarktes eingesetzt werden. Gabi begrüßte das und kritisierte, dass die Groko den Antrag nicht vorher mit der linken Fraktion abgesprochen hat … Gelegenheit dazu wäre gewesen, denn der linke Antrag liegt schon seit zwei Wochen vor, der Groko-Antrag kam dagegen erst Stunden vor der Ratssitzung. 

DIE LINKE im Rat hat der Einführung der Grillzonen zugestimmt, die Änderung der Ordnungsbehördlichen Verordnung mit dem Grillverbot aber abgelehnt. Zwar soll das Verbot erst gelten, wenn die Grillzonen eingerichtet sind, dann ist aus Sicht der Ratsfraktion DIE LINKE aber immer noch Gelegenheit, die Verordnung zu ändern. Die Verwaltungsvorlage wurde schlussendlich mit den Stimmen der GroKo angenommen. Der linke Antrag wurde zwar abgelehnt, das Anliegen der LINKEN fand aber indirekt mit dem Groko-Antrag eine Mehrheit. Weil die Ratsmehrheit ausdrücklich kein Grillverbot will, bevor nicht die Grillzonen eingerichtet sind, wurde der Antrag der Tierschutzpartei/SLB-Faktion abgelehnt. Diese hatte ein sofortiges Grillverbot ab dem 1. September beantragt. 

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Radwegeverbindung von Bredeney nach Velbert

Eine neue Radwegeverbindung von Bredeney durch Werden und Heidhausen nach Velbert soll nicht nur als gute Verbindung für Berufspendler dienen, sondern auch für den Alltagsradverkehr der anliegenden Stadtteile. Dieser Antrag wurde im Bauausschuss als gemeinsamer Antrag von SPD/CDU/Grüne und LINKE einstimmig verabschiedet und an den Rat empfohlen. Aber die CDU-Fraktion hat ihre Ausgrenzungspolitik fortgesetzt und DIE LINKE vom Antrag genommen. Wolfgang kritisierte es als unhöfliche Missachtung des Ausschusses, wenn der Rat dessen Beschlüsse ignoriert. Er regte noch an, zu prüfen dass der Radweg entlang der B 224 angelegt wird, vielleicht auch als Parallelstraße, da die Bedingungen für Radfahrer*innen direkt an der B 224 schwierig sind. Der Bau der Radwegeverbindung wurde einstimmig beschlossen.

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Krisenmanagement entwickeln

Die Groko hat einen Antrag gestellt, den Pandemieplan fortzuschreiben und einen Katastrophenschutzplan zu erarbeiten. Gabi erklärte die Zustimmung zu dem Antrag, denn es sei wichtig, Lehren aus der Bewältigung der Corona-Pandemie zu ziehen. Allerdings springt der Antrag aus Sicht der Fraktion DIE LINKE zu kurz. So fehlt die wichtige Stärkung des Gesundheitsamtes und die Frage, wie die Schulen pandemiesicher geführt werden können. Außerdem gelte es mit Blick auf einen möglichen weiteren Lockdown Vorbereitungen zu treffen, wie die Kinder dann weiter mit Mittagessen versorgt werden können, die dieses aktuell von der Schule bekommen. Sie kündigte an, dass die linke Fraktion hier am Ball bleiben will. Der Antrag der Groko wurde einstimmig angenommen.

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Und sonst?

  • Der Antrag der LINKEN zu den „Auswirkungen von Corona auf Honorarkräfte und andere freie Beschäftigte an städtischen Einrichtungen“ wurde in die Fachausschüsse geschoben und kommt im September wieder in den Rat.
  • Wolfgang stellte eine Anfrage zu den Lärmbelastungen am Flughafen Essen/Mülheim, da sich Anwohner:innen über zunehmenden Fluglärm beschwert haben.