Anfragen

Ratsbericht Dezember 2019

Handlungskonzept für Vielfalt und Demokratie verabschiedet

Auf Initiative der Ratsfraktion DIE LINKE wurde gestern ein „Handlungskonzept für Demokratie und Vielfalt“ durch einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen beschlossen, nur die NPD stimmte dagegen. Dieser Erfolg wurde leider durch eine unsägliche Debatte überschattet, in der Redner von CDU, FDP sowie EBB Links und Rechts gleichsetzten und damit den massiven Rechtsruck  verharmlosten.   

 

Streit um Handlungskonzept für Demokratie und Vielfalt

Zu Beginn der Debatte verurteile Oberbürgermeister  Thomas Kufen den feigen Angriff auf Max Adelmann aufs Schärfste. Der langjährige Sprecher von „Essen stellt sich quer“ wurde am Montagabend von einem Vermummten gezielt niedergeschlagen. Mit der Verabschiedung des Handlungskonzeptes gebe der Rat die richtige Antwort, so Kufen.

Auch Gabriele Giesecke verurteilte für DIE LINKE im Rat den Angriff und wünschte Max eine gute Besserung. Sie sei sich sicher, dass dieser sich nicht einschüchtern lasse. Die feige Tat wirke nämlich in jedem Falle als ein weiterer Einschüchterungsversuch von aktiven Demokratinnen und Demokraten. Über solche Einschüchterungsversuche berichten auch die Menschen in Steele. Die Botschaft, die dahinter steht: „Wir wissen wo ihr wohnt, fühlt euch auf den Straßen nicht mehr sicher, steht nicht für demokratische Werte ein.“

Gabi kritisierte es deshalb als aus der Zeit gefallen, dass die CDU und andere im Rat immer noch mit einem Extremismusbegriff operieren, der den Angriff extrem rechter Kräfte auf die Demokratie mit linkem Widerstand gegen diese Angriffe gleichsetzen will. Vielmehr gelte es, als Demokratinnen und Demokraten  zusammenzustehen und wirklich klare Kante gegen jeden Versuch zu zeigen, Unfrieden unter den verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu säen. Dazu gehöre die Absage gegen jeden Rassismus, gegen antisemitische Hetze oder gegen die Verunglimpfung von Religionen wie dem Islam.

DIE LINKE im Rat hätte sich deutlichere Festlegungen gewünscht, als sie der gemeinsame Antrag zum Ausdruck bringt. Ihr ursprünglicher Vorschlag war in vielen Punkten konkreter. Aber auch den Initiativen wie „Steele bleibt bunt“ oder „Essen stellt sich quer“ war es wichtig, dass mit einer großen Ratsmehrheit etwas auf gesamtstädtischer Ebene auf den Weg gebracht wird. Es ist ein Anfang, eine Strategie gegen die Angriffe auf das friedliche Zusammenleben und für eine demokratische Kultur für die Gesamtstadt Essen zu erarbeiten. Dies ist eine Ermutigung für die zivilgesellschaftlichen Kräfte in unserer Stadt. Viele Menschen werden sich über diese Rückendeckung durch den Rat freuen.

Leider wurde diese Rückendeckung durch Redebeiträge aus der CDU, des EBB und der FDP konterkariert, die in fahrlässiger Weise Links und Rechts gleichsetzten. Ezgi Güyildar und Wolfgang Freye widersprachen dem vehement. Beide machten auf den massiven Rechtsruck in der Gesellschaft aufmerksam. Ezgi befürchtete, dass einige Ratsmitglieder nicht die Realität der Migrantinnen und Migranten kennen würden, die mittlerweile Angst vor Neonazis haben müssen. Sie stellt fest, dass es fast schon wieder ein Schimpfwort geworden ist, ein Antifaschist zu sein. Sie sei jedenfalls stolz darauf und forderte auf, die demokratischen Grundwerte zu verteidigen.

Wolfgang kritisierte, dass die Debatte das gemeinsame Signal des Antrages fast kaputt gemacht habe. DIE LINKE habe schon vor Jahren ein Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus beantragt. Er verwies darauf, dass es heute illegale Waffenlager von Nazis, „schwarze Listen“ und viele gewaltsame Aktionen gäbe, während gleichzeitig AfD-Funktionäre wie Höcke bei steigenden Wahlergebnissen planen, wie sie nach einer Beteiligung an der Macht den „deutschen Volkskörper“ reinigen können. Da sei jede allgemeine Debatte über „Extremismus“ eine Verharmlosung von Rechtsaußen. Auch das staatliche Handeln gegen Rechtsextreme müsse sich dringend ändern: Während die RAF als „terroristische Vereinigung“ verfolgt wurde, wurde ein solches Vorgehen gegen die NSU und ihr Umfeld noch nicht einmal erwogen.

Am Ende wurde das Handlungskonzept nur gegen die Stimmen der NPD verabschiedet. Es war schon bemerkenswert, dass ein gemeinsamer Antrag aller Fraktionen, zu so kontroversem Streit führte. Offensichtlich gibt es einen großen Klärungsbedarf im Umgang mit dem Begriff „Extremismus“.

________________________________________________________________________________

Keine Klage gegen VW-Konzern

Am Ende dieses Jahres läuft die Verjährungsfrist für eine mögliche Klage gegen VW und andere Autokonzerne aus, die ihre Autos mit Schummelsoftware manipuliert haben. Deshalb wollte DIE LINKE im Rat, dass die Stadt noch rechtzeitig Klage einreicht. Allerdings sind nur vier Fahrzeuge von 280 Fahrzeugen der Stadt damit ausgestattet. Das ergab eine Nachfrage der Ratsfraktion DIE LINKE bei der Verwaltung im Vorfeld der Ratssitzung. Der Aufwand einer Klage würde in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen. Zudem waren die Rabatte für die Fahrzeuge so hoch, dass ein möglicher Vergleich nicht viel bringen würde. DIE LINKE im Rat hat deshalb den Antrag zurückgezogen.

_______________________________________________________________________________

Frauenförderplan verabschiedet – Politik bleibt gefordert

Zwar arbeiten mehr Frauen als Männer bei der Stadt Essen, aber in der Führungsebene sind die Frauen immer noch stark unterrepräsentiert. Bei der Teilzeitbeschäftigung sind sie dagegen mit 90 Prozent überrepräsentiert. Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Essen, Brigitte Liesner, äußerte die Hoffnung, dass sich die Zunahme des Frauenanteils im Unterbau demnächst stärker auf den Oberbau ausprägen wird. Darauf u.a. arbeitet auch der Frauenförderplan hin.

Gabi stellte für DIE LINKE im Rat fest, dass die Gleichstellung nur im Schneckentempo vorwärts kommt und deshalb die Frauenförderung unverzichtbar ist. Gleichstellung sei schon deshalb wichtig, weil gemischte Teams viel erfolgreicher arbeiten. Neben der Verwaltung sind auch die politischen Parteien in der Pflicht.  So ist es nicht nur wichtig auf die Gleichstellung in der Verwaltung zu achten, sondern auch bei der Besetzung von Gremien wie den Aufsichtsräten oder dem Rat der Stadt. Ein linker Antrag zur Selbstverpflichtung,  diese Gremien paritätisch zu besetzen, ist vor ein paar Jahren abgelehnt worden. Die Parteien sind jetzt mit Blick auf die Kommunalwahl aufgefordert, ihre Wahllisten paritätisch zu besetzen.

Die hohe Rate an Teilzeitarbeit unter Frauen sorge für niedrigere Renten, so Gabi weiter. Es muss dafür gesorgt werden, dass Frauen nicht in Altersarmut gedrängt werden. Die Vereinbarung von Vollzeitarbeit und der Familie muss deutlich durch eine Verbesserung der Angebote bei den Kitas und den Pflegeplätzen verbessert werden, damit es in Zukunft gerechter zugeht.

______________________________________________________________________________

Bürgerforum „Wo wollen wir wohnen?“ krachend gescheitert

Gestern sind sieben Flächen, die vom Bürgerforum „Wo wollen wir wohnen?“ im letzten Jahr zur Bebauung vorgeschlagen worden sind, in die Bauleitplanung aufgenommen worden. DIE LINKE im Rat hat den Antrag gestellt, die Flächen auf der ehemaligen Gärtnerei an der Raadter Straße und dem ehemaligen Sportplatz an der Serlostrasse nicht zu bebauen und einige andere zur Klärung von Fragen zurückzustellen. Bei der Raadter Straße handelt es sich um eine Landwirtschafts- und Grünfläche, die Serlostrasse befindet sich in einem der am dichtest besiedelten Stadtteile Essens, in Altendorf. Auf dieser Fläche kann sich DIE LINKE allenfalls eine geringe Bebauung mit viel Grün vorstellen.

Wolfgang Freye stellte für DIE LINKE im Rat fest, dass das Bürgerforum krachend gescheitert ist. Von insgesamt 93 Flächen, die die Verwaltung vorgeschlagen hat, sind nur noch sieben übrig geblieben. Das liegt daran, dass die Verwaltung seit Jahren immer wieder die gleichen Flächen in die Diskussion bringt, die von der Bevölkerung stets abgelehnt werden. Die Bezirksvertretung III hat z.B. bereits vor über zehn Jahren eine Bebauung an der Raadter Straße abgelehnt. DIE LINKE im Rat ist für Bürgerbeteiligung, d.h. aber vor allem Ausgleich mit den Betroffenen. Genau so war das Bürgerforum nicht angelegt.

Wolfgang forderte, dass mit der Jagd nach Flächen in den Außenbereichen Schluss sein muss. Deshalb begrüßte er den Antrag der Groko, Altlasten- und Brachflächen zu entwickeln. DIE LINKE im Rat hat schon ähnliche Anträge gestellt. So zuletzt bei den Haushaltsberatungen den Antrag, 8,5 Planstellen für ein Baulücken- und Leerstandskataster einzurichten. Den hatte die Groko aber abgelehnt.

Der Antrag der Groko und die Vorlage der Verwaltung wurden angenommen. Das Anliegen der linken Fraktion nach Herausnahme der beiden oben genannten Flächen wurde abgelehnt, ebenso ein Antrag der Grünen mit ähnlichen Punkten.

________________________________________________________________________________

SPD doch für Bebauung im Landschaftsschutzgebiet Icktener Straße

Der Rat hat der Änderung des Regionalen Flächennutzungsplans (RFNP) zugestimmt, um die Bebauung des ehemaligen Tennisplatzes an der Icktener Straße zu ermöglichen. LINK, Grüne, Tierschutzpartei und interessanter Weise auch die FDP stimmten dagegen. DIE LINKE lehnt die Bebauung von Landschaftsschutzgebieten generell ab, die Flächen an der Icktener Straße sollten renaturiert werden. Hinzu kommt, dass der große Aufwand bei der Planung und Bebauung in keinem Verhältnis zum mageren Ergebnis von gerade einmal 25 Wohnungen steht.

Unglaubwürdig hat sich die SPD gemacht. Obwohl sie erst im Oktober den Grundsatzbeschlusses gefasst hat, keine Bebauung in Landschaftsschutzgebieten mehr zuzulassen, stimmte sie der RFNP-Änderung zu. Wolfgang begründete für DIE LINKE im Rat, warum wir beim Nein blieben.

________________________________________________________________________

Umweltsensitive Steuerung auf der Alfredstraße kommt

Beschlossen hat der Rat die Einführung der umweltsensitiven Ampel-Steuerung auf der Alfredstraße. Sie soll den Verkehrsfluss verbessern, um so die Schadstoffbelastung zu senken. Bei Überschreitung der Grenzwerte soll die Zufahrt in die Alfredstraße durch Pförtnerampeln gedrosselt werden. Diese Maßnahme gehören zu dem gerichtlichen Vergleich zwischen der Deutschen Umwelthilfe, dem Land NRW und der Stadt Essen zur Vermeidung von Fahrverboten.

Wolfgang begrüßte den Vergleich als einen guten Kompromiss, der nur deshalb möglich war, weil die Verwaltung aktiv Vorschläge erarbeitet hat. Das habe sogar die Umwelthilfe anerkannt. Damit sei bewiesen, dass diese kein reiner Abmahnverein sei, wie es CDU-Ministerpräsident Armin Laschet behauptet hat, sondern auf praktische Lösungen aus ist. Ohne die Klagen der Umwelthilfe wäre keine Bewegung gegen die Überschreitung der EU-Luftreinhaltewerte gekommen. Wolfgang verwies darauf, dass durch die zum Teil 120 Sekunden langen Grünen Wellen der öffentliche Nahverkehr nicht leiden dürfte. Dazu bedarf es noch Abstimmungen in den Fachausschüssen.

Warum allerdings der Ladenhüter einer Durchstreckung der A 52 quer durch Essen Teil des Vergleiches ist – diese Frage kann wohl keiner beantworten, zumal sie in den nächsten 20 Jahren wohl kaum kommen könnte.

________________________________________________________________________________

Und sonst?

  • Die Stadt wird demnächst für ihren Eigenverbrauch zu 100 Prozent Ökostrom beziehen und zugleich in erneuerbare Energien investieren. Das wurde gestern auch mit den Stimmen der Ratsfraktion DIE LINKE beschlossen.
     
  • DIE LINKE im Rat hat den Beschluss zur Umwandlung der Stadtwerke von einer Aktiengesellschaft in eine GmbH unterstützt. So hat der Rat der Stadt mehr Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten. Die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat bleiben unverändert.
     
  • Nicht unterstützt hat DIE LINKE im Rat dagegen den verkaufsoffenen Sonntag am 19. Januar anlässlich der Veranstaltung „Essen on Ice“. Dagegen gestimmt hat auch die Tierschutz-SLB-Fraktion, die Grünen haben sich enthalten
     
  • Bereits in der letzten Ratssitzung wurde die Anfrage von Wolfgang nach dem Ratsmitglied mit den meisten politischen Wechseln beantwortet. Mit fünf Wechseln ist Arndt Gabriel der Wechselkönig“ im Rat der Stadt, wobei ein Wechsel unfreiwillig war, denn er wurde aus der SPD-Fraktion ausgeschlossen. Nina Herff folgt mit vier Wechseln, wobei die Verwaltung den Austritt aus der Fraktion DIE LINKE direkt nach der Kommunalwahl nicht mitgezählt hat, weil sich zu diesem Zeitpunkt der Rat noch nicht konstituiert hatte. Danach kommen mehrere Ratsmitglieder mit drei Wechseln, darunter die ehemaligen Piraten. Insgesamt waren an den 28 Wechseln der Sitzordnung im Rat „nur“ 18 Ratsmitglieder beteiligt – beruhigend stabil?