Anfragen

Ratsbericht September 2020

Rat verurteilt rechtsextreme Vorfälle bei der Polizei.

Der Vorhang ist gefallen – letzte Sitzung des Rates der ausgehenden Ratsperiode.

 

Das war die letzte Sitzung des Rates der Stadt nach einer langen Ratsperiode von fast 6,5 Jahren. Unsere Ratsmitglieder Gabriele Giesecke, Yilmaz Gültekin und Wolfgang Freye liefen noch einmal zur Höchstform auf und legten insbesondere bei der Debatte um die rechtsextremen Vorfälle bei der Polizei den Finger in die Wunde. Zusammen mit Ezgi Güyildar haben sie sich viele Jahre im Rat der Stadt für linke Politik eingesetzt und ihren Kopf dafür hingehalten, Gabi seit 1999. Oberbürgermeister Thomas Kufen verabschiedete 51 Ratsmitglieder, die nicht mehr im neuen Rat vertreten sein werden, und fand auch für die Mitglieder der Fraktion DIE LINKE anerkennende Worte.

 

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Rassistische Vorfälle bei der Polizei Essen

Was war das für ein Theater im Juni, als es DIE LINKE im Rat gewagt hatte, einen polizeikritischen Änderungsantrag zu einem Antrag der Groko zu stellen (s. Ratsbericht Juni 2020). Dieser verharmlosende Groko-Antrag wird selbst in der Presse mittlerweile als Persilschein für die Polizei bezeichnet. Gegenüber der aggressiven Debatte im Juni waren die Parteien von SPD, CDU, FDP und Anhang letzten Mittwoch geradezu kleinlaut. Einige Redner grenzten sich von den rassistischen Vorfällen beim Polizeipräsidium Essen ab, relativierten aber teilweise ihre Aussagen direkt wieder mit scheinheiligen Rechtfertigungsversuchen und wie gewohnt mit Links-Rechts-Gleichsetzungen.

Dabei wäre es ohne DIE LINKE gar nicht erst zu einer Debatte zu den rassistischen Vorfällen gekommen. Sie ist bereits eine Woche vor der Ratssitzung mit einem Vorschlag für einen gemeinsamen Antrag an die anderen Fraktionen herangetreten. Erst kurz vor der Ratssitzung reagierten SPD und CDU mit einem eigenen Antrag, ebenso die Grünen , die zwar auf den linken Vorschlag nicht reagiert hatten, aber trotzdem öffentlich bedauerten, dass es zu keiner gemeinsamen Antragstellung gekommen ist. Wollten sie diese Chance mit Rücksicht auf künftige Koalitionen nicht wahrnehmen?

Gabi begründete für DIE LINKE, warum der aktuelle Antrag der Groko unzureichend ist, denn strukturelle Probleme kommen genauso wie im GroKo-Antrag vom Juni nicht zur Sprache. Im Gegenteil: Es wird wieder vor „Pauschalverurteilungen“ gewarnt – allerdings nur vor „Pauschalverurteilungen“ der Polizei, nicht etwa von Migranten, Menschen mit dunkler Hautfarbe usw. Dabei sind die rechtsextremen Chat-Gruppen bei der Polizei ein Skandal mit Ansage und nur zufällig entdeckt worden. Bei der Polizei herrsche ein Korpsgeist wie in grauer Vorzeit, als die Menschen noch wie Untertanen behandelt wurden. Gabi stellt die Frage, warum der Landesinnenminister Herbert Reul und Bundesinnenminister Horst Seehofer sich so vehement weigern, eine wissenschaftliche Studie zu Rassismus und Rechtsextremismus bei der Polizei zu erstellen. Fürchten sie sich vor dem, was sie dort finden könnten? Dabei würden strukturelle Änderungen bei der Polizei nicht die Polizei schwächen, sondern sie stärken, weil ein besseres Ansehen in der Bevölkerung ihre Arbeit erleichtern würde.

Gabi kritisierte an dem Antrag der Groko den Begriff des „rechtschaffenden Beamten“. Beamte müssen auf dem Boden des Grundgesetzes handeln, darum muss es gehen. Und darin heiße es: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ und nicht nur die des weißen Deutschen. Beispielsweise würde durch Racial Profiling das Vertrauen in die Polizei bei weiten Bevölkerungskreisen unterminiert. Für sie ist es bezeichnend, dass Polizeipräsident Frank Richter bei einem Gespräch mit der linken Faktion Anfang des Jahres dieses Problem herunter spielte und meinte, dass anlassbezogene Einzelgespräche ausreichen würden. Das ist offensichtlich nicht der Fall.

Wolfgang setzte später noch einmal nach und ging auf verschiedene Redebeiträge aus anderen Parteien ein – vor allem die Beiträge von Peter Tuppek (CDU), dem ehemaligen Polizisten Werner Schreyer (FDP) und Wilhelm Adamy (EBB) übten sich in Verharmlosung. Wolfgang  erwähnte in seinem Beitrag noch einmal die Debatte um die Resolution im Juni und bekräftigte, dass DIE LINKE Pauschalverurteilungen und Gewalt gegen Polizisten genauso ablehnt wie pauschale Lobeshymnen und die Generalverdächte. Die Maßstäbe an die Polizei müssten in einer demokratischen Gesellschaft höher sei als an andere Berufsgruppen oder an „Normalbürger“. Wolfgang zitierte aus dem linken Antrag vom Juni, der nur Selbstverständlichkeiten enthielt, z.B. dass sich demokratische Institutionen in einer pluralistischen demokratischen Gesellschaft der öffentlichen Debatte und demokratischen Kontrolle stellen müssen und dass Fehlverhalten und strukturelle Fehlentwicklungen geklärt und überwunden werden müssen.

Er hoffe, dass die Mehrheit des Rates jetzt wenigstens noch einmal darüber nachdenke, warum sie diese Selbstverständlichkeiten abgelehnt hat, so Wolfgang. Gegen Rassismus in Institutionen helfen nur eine Änderung der Kultur, ähnlich wie in den 70er-Jahren, als bei der Bundeswehr der Begriff der „Bürger in Uniform“ eingeführt wurde, und unabhängige Kontrolle. Zuletzt erinnerte Wolfgang noch an das Attentat auf das Oktoberfest am 30.9., genau vor vierzig Jahren, das bis heute als Einzeltat verharmlost wird. 1980 gab es allein 19 Tote durch rechtsextreme Anschläge.

Der Antrag der Groko wurde angenommen, mit den Stimmen von EBB und Tierschutz/SLB-Fraktion. Grüne und FDP enthielten sich, DIE LINKE stimmte dagegen. Der grüne und der linke Antrag wurden abgelehnt.

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Neue Gesellschaft für Schrottimmobilien gegründet

Der Rat der Stadt hat gestern einstimmig der Gründung der Gesellschaft „Immobilienentwicklung Stadt Essen GmbH“ zugestimmt, deren Zweck es ist, Schrottimmobilien aufzukaufen und zu sanieren. Die sanierten Gebäude sollen in einem revolvierenden System weiter verkauft werden, um mit dem Erlös weitere marode Häuser zu erwerben. Wolfgang begründete die Zustimmung der linken Fraktion damit, dass es wichtig ist, das Problem der Schrottimmobilien stärker anzugehen. Denn diese sind ein großes Hemmnis für die Stadtentwicklung. Er merkte kritisch an, dass der Weiterverkauf der Grundstücke und Gebäude nach einer Sanierung immer im Einzelfall entschieden werden muss. Denn es ist ein Problem, dass die Stadt über immer weniger eigenen Grund und Boden verfügt. Da Grundstücke ein endliches Gut sind, sollte die Stadt damit sehr vorsichtig umgehen und besser Erbpachtlösungen anstreben.

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Schritt in die richtige Richtung - Welcome Center wird erweitert

Das Welcome Center soll erweitert und dafür zusätzliche Stellen geschaffen werden. Yilmaz begründete die Zustimmung der linken Fraktion. So hat sich DIE LINKE von Anfang an die Einrichtung eines Welcome Centers unterstützt, damit Essen seinem Anspruch als weltoffene Stadt gerechter werden kann. DIE LINKE hat sich aber auch immer dafür eingesetzt, dass sich das Center nicht nur auf hochqualifizierte Zuwander:innen beschränken darf, sondern für alle Zugewanderten da sein muss. Mit der Verabschiedung der heutigen Vorlage wird ein Schritt in die richtige Richtung gemacht, so Yilmaz weiter. Denn demnächst sollen nicht mehr nur hochqualifizierte Zuwander:innen in Essen willkommen geheißen werden, sondern alle Menschen, die als Fachkräfte oder potentielle Fachkräfte gelten, also Studierende und Auszubildende.

Für DIE LINKE reicht das aber nicht aus. Ziel muss es sein, alle Zugewanderten in gleichem Umfang dabei zu unterstützen, sich in Essen zurechtzufinden. Die unerträglichen Zustände beim Ausländeramt mit ewig langen Wartezeiten auf einen Termin oder in der Telefonschleife müssen beseitigt werden. Deshalb ist DIE LINKE dagegen, dass jetzt noch Personal von der ohnehin überforderten Ausländerbehörde abgezogen wird und zum Welcome Center wechselt. Das Ziel der LINKEN ist die Überwindung der Zwei-Klassen-Gesellschaft zwischen Welcome-Center und Ausländeramt. Dazu machte Yilmaz zwei Einsparungsvorschläge: die Abschaffung der Sicherheitsschleuse beim Ausländeramt und die Abschaffung der Kettenduldung, die die Mitarbeiter:innen der Ausländerbehörde um viele Termine im Jahr entlasten würde und den Betroffenen endlich eine Perspektive eröffnet.  

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Schulbauleitlinie verabschiedet

Erstmalig gibt sich die Stadt Essen eine eigene Leitlinie für den Bau von Schulen, die über die bisherigen Standards hinausgehen und bei deren baulichen Umsetzung die modernsten pädagogischen Konzepte berücksichtigt werden sollen. Gabi begrüßte diese Leitlinie als großen Fortschritt. Jetzt kommt es darauf an, sie in den anstehenden Bauprojekten auch zu leben. So gibt es beispielsweise beim Umbau der Gesamtschule Bockmühle ein großes Interesse in Altendorf an einer offenen Entwicklung zum Stadtteil hin und für eine multifunktionale Nutzung.

Gabi merkte zwei Punkte an, die aus Sicht der LINKEN im Rat zu schwach formuliert sind. So soll nicht in jeder neu zu bauenden Schule ein Frischeküche Standard sein, weil das von der Entscheidung der Schulkonferenz abhängig gemacht werden soll. Eine Frischeküche mit einer hohen Qualität hat aber eine große Bedeutung insbesondere für die Kinder, die auf ein kostenloses Mittagessen angewiesen sind. Außerdem erwartet DIE LINKE eine regelmäßige Evaluierung und Überprüfung der Schulbauleitlinie bei den vielen anstehenden Bauprojekten in den nächsten Jahren.

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Schaufensterantrag der Tierschutz / SLB Fraktion ohne Relevanz

Die Tierschutz/SLB-Fraktion hat vor der Kommunalwahl einen Schaufensterantrag eingebracht, mit der Forderung, bei Bauvorhaben klimarelevante Ziele prioritär zu berücksichtigen. Dieser Antrag wurde zunächst in den Fachausschüssen beraten und gestern auch mit den Stimmen der linken Fraktion abgelehnt. Wolfgang begründete die Ablehnung mit drei Argumenten:

1. sieht das Baurecht einen Abwägungsprozess der verschiedener Ziele vor und so könnten, ohne eine Änderung des Baurechts, Bebauungspläne rechtlich anfechtbar werden, die ein Ziel prioritär verfolgen.

2. gibt es nur wenige Projekte, bei denen die Umweltverträglichkeit so stark geprüft wird wie in Bebauungsplänen. Allerdings ist es ein Problem, dass die Verwaltung in letzter Zeit verstärkt auf das sog. beschleunigte Verfahren zurückgreift, in dem auf die Umweltprüfung verzichtet wird. Das müsse sich wieder ändern.

3. hat DIE LINKE vor über einem Jahr zusammen mit den Grünen einen Antrag auf Ausrufung des Klimanotstandes und die Einführung einer Klimaampel gestellt. Der wurde zwar von der Ratsmehrheit abgelehnt, aber die Verwaltung hat mittlerweile mitgeteilt, dass sie ihre Vorhaben auf Klimaverträglichkeit prüfen und ihre Vorlage entsprechend kennzeichnen wird. Wolfgang schlug vor, erst einmal abzuwarten wie diese Klimaampel wirkt, um dann möglicherweise nachzubessern.

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Und sonst?

  • Der Antrag der LINKEN zu den „Auswirkungen von Corona auf Honorarkräfte und andere freie Beschäftigte an städtischen Einrichtungen“ wurde abermals geschoben. In den Fachausschüssen ist daraus ein Prüfauftrag an die Verwaltung entstanden, die aktuelle Situation detailliert darzustellen. Der Antrag kommt im neuen Rat wieder auf die Tagesordnung.
  • Das Begegnungszentrum „KD 11/13 – Zentrum für Kooperation und Inklusion“ in Altenessen soll aufwändig umgebaut werden. Dazu werden Fördergelder benötigt. Der entsprechende Förderantrag an die Landesregierung im Rahmen des Stadterneuerungsprogramms wurde gestern einstimmig verabschiedet.

 

Weitere Informationen, Anträge, Anfragen, Reden und Pressemitteilungen sind auf unserer Homepage https://www.linksfraktion-essen.de veröffentlicht.