Erinnerungskultur - Heike

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,

der achtseitige Bericht des Hauses der Essener Geschichte zur Umsetzung des Ratsantrags von 2023 zeigt eindrucksvoll, welch besondere und einzigartige Sammlung wir mit dem von Dr. Ernst Schmidt angelegten Archiv besitzen. Gleichzeitig zeigt sie vielfältige Möglichkeiten zur Geschichte der Arbeiterbewegung im 19. und 20. Jahrhundert sowie zu Verfolgung und Widerstand während des Nationalsozialismus auf. Mit dem von Ernst Schmidt begründeten Denkmalpfad „Essen erinnert“ erhält jede und jeder die Möglichkeit, sich im öffentlichen Raum mit der Geschichte unserer Stadt auseinanderzusetzen. 

Gerade in der heutigen Zeit ist diese historische Aufarbeitung von zentraler Bedeutung. Wenn eine rassistische und in ihrem Kern rechtsextreme Partei wie die AfD in Essen bei der Bundestagswahl 17,1 Prozent der Stimmen erhält, dann müssen wir mehr denn je deutlich machen, mit welchen Parolen und welcher Rhetorik sie gegen Menschengruppen hetzt und die Gesellschaft spaltet.

Damals waren es unter anderem Juden, Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen, Gewerkschafter, Sinti und Roma sowie Menschen mit einer anderen sexuellen oder geschlechtlichen Identität, die von ihrem engen Rollenbild der „deutschen Familie“ abwichen. Heute richtet sich die Hetze gegen Menschen mit Einwanderungsgeschichte, Menschen die vor Krieg, vor Verfolgung fliehen und hier Asyl beantragen. 

Ohne verstärkte historische und politische Bildung sowie eine intensive Öffentlichkeitsarbeit werden wir diesen Entwicklungen nicht wirksam entgegentreten können. Auch das Vertrauen in die Politik kann nur durch eine ehrliche Auseinandersetzung mit diesen Herausforderungen gestärkt werden – nicht durch dumpfe Parolen, die vielleicht gut ankommen, aber nichts zur Lösung beitragen. Vielleicht sollten wir alle unseren Politikstil hinterfragen.

Umso wichtiger ist es, dass wir die vom Stadtarchiv identifizierten Bedarfe für die Aufarbeitung, Digitalisierung und Präsentation der Bestände sowie für die Weiterentwicklung und Neugestaltung des Denkmalpfades „Essen erinnert“ auch finanziell absichern – insbesondere dann, wenn keine Drittmittel zur Verfügung stehen.

Der Bericht macht u.a. deutlich, dass die Tafeln des Denkmalpfades dringend überarbeitet, ergänzt und in der Öffentlichkeit stärker verankert werden müssen. Hier sehe ich insbesondere eine Möglichkeit, dass die Bezirksvertretungen die Arbeit des Hauses gezielt unterstützen – so wie es bereits mit neuen Tafeln in den Bezirken IV, V und VI in Planung ist.

Auch das Museum Folkwang sollte in den Denkmalpfad aufgeführt werden. Denn dieses kann viele Werke, die einst zu seiner Sammlung gehörten, nicht mehr ausstellen. Die Nationalsozialisten beschlagnahmten 1937 rund 1.500 Kunstwerke und diffamierten sie als „entartete Kunst“. Werke, die das Museum einst zu einem Zentrum der Avantgarde-Kunst gemacht hatten. Auch hier sind weitere Vermittlungsprojekte nötig.

Nun zurück zu Ernst Schmidt und dem Haus der Essener Geschichte. Es ist längst überfällig, die Öffnungszeiten des Hauses an den Wochenenden auszuweiten. Dafür müssten mindestens vier Vollzeitstellen für festangestellte Aufsichtskräfte im Stellenplan verankert werden, so wie wir es schon zig-mal beantragt haben. Die erforderlichen 220.000 Euro sollten im Haushalt zu finden sein, wenn allen Fraktionen dieses Anliegen tatsächlich so wichtig ist. 

Die Erinnerungskultur ist kein Selbstläufer. Sie muss aktiv gestaltet und gesichert werden – und das bedeutet auch, sie mit den notwendigen Ressourcen auszustatten.