Erinnerungskultur in Essen

Was in Dortmund und anderen Städten geht, bei wichtigen Themen um gemeinsame Mehrheiten zu ringen oder auch gemeinsam Anträge auf den Weg zu bringen, scheint in Essen durch die Blockade der CDU unmöglich. Auch bei solchen wichtigen Themen, wie die Würdigung und Auseinandersetzung mit dem Grundgesetz.

Abgrenzung um jeden Preis ohne darüber nur im Ansatz nachzudenken, welches Zeichen man gegenüber denjenigen aussendet, die man eigentlich mit dem Antrag erreichen will.

Das Grundgesetz ist zwar auch in Abgrenzung, aber nicht in Ausgrenzung diskutiert und beschlossen worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich möchte nicht so weit gehen, dass es um die Rettung des Grundgesetzes geht. Leider wird aber deutlich, dass das Grundgesetz und seine Errungenschaften immer weniger im Bewusstsein von Bürgerinnen und Bürgern sind. Und wenn, wird es als etwas Selbstverständliches wahrgenommen. Es ist eben da. Dass es auf den Erfahrungen einer entsetzlichen Geschichte, die dieses Land hinter sich hatte basiert, gerät ins Vergessen und damit ebenso die Gründe, warum gerade der Artikel 1 so formuliert worden ist. 

Selbstverständlich ist die gesellschaftliche Entwicklung vorangeschritten, haben sich Arbeits – und Lebensverhältnisse deutlich gewandelt. Ist die Situation, zum Glück, nicht mehr vergleichbar. Aber es hat eben auch einschneidende politische, gesellschaftliche Ereignisse gegeben, die dieses Land nachhaltig geprägt haben. Unter anderem 1990 die Wiedervereinigung, aber auch die Fluchtbewegung ab 2015. Gerade letztere hat auch in Essen das Zusammenleben und die Zusammensetzung der Stadtgesellschaft nachhaltig verändert.

Nun kann man über die damit einhergehenden Entwicklungen und sicher auch Schwierigkeiten lamentieren und die Lösung in Abschottung suchen. Aber dies ist keine Lösung. Sie wird auch nicht gelingen. Wer darauf hofft, verschließt die Augen vor der geopolitischen Situation.

Aus unserer Sicht reicht es eben nicht aus zu beklagen, dass Migrantinnen und Migranten, das Geflüchtete die Werte des Grundgesetzes angeblich nicht kennen oder die Werte nicht leben würden. Gerade auch weil wahrscheinlich viele von Ihnen in unserem Land, in unserer Stadt bleiben wollen und werden.

Sollte es nicht gerade deshalb unser gemeinsames Anliegen sein, mit dieser Initiative Formate zu finden, die mehr als die Schulen sowie weitere relevante Institutionen und Akteure erreicht? Muss es nicht auch um Möglichkeiten gehen, dass man jene Bürgerinnen und Bürger erreicht, die sich bisher über die Bedeutung des Grundgesetzes, über die dort verankerten Rechte der Menschen und die Regeln des Zusammenlebens wenig Gedanken gemacht haben? Wir denken ja.

Deshalb ist es uns wichtig, dass wir bei den relevanten Akteuren, die Fachabteilung des Jugendamtes für politische Bildung benennen, denn es geht vor allem auch um politische Bildung zur Stärkung des Demokratiebewusstsein Jugendlicher. Schließlich weiß dieses Amt am besten, wie man Schülerinnen und Schüler erreicht. 

Das gilt auch für unseren Punkt 3. Lassen Sie uns 2024 Orte schaffen, an denen man sich vielfältig und niederschwellig mit dem Grundgesetz auseinandersetzen kann. Sicherlich gibt es da noch eine Menge mehr an Möglichkeiten als die Zusammenarbeit mit der Ruhrbahn oder der EMG, die die Werbetafeln der Stadt vermarktet. Aber so würde vielleicht auch in manchen Bahnen die Hinweistafeln schneller aktualisiert werden, fand ich vor kurzem in der Linie 106 noch die Hinweise zum Fahrplanwechsel über Weihnachten und Silvester.

Dies so klar zu benennen ist gerade in einer Zeit, wo Politiker*innen, vor allem Kommunalpolitiker:innen, zunehmend Anfeindungen ausgesetzt sind wichtig. 

Der Bericht des Bundeskriminalamtes vom Februar 2022 stellt die Zunahme der Beleidigungen, Bedrohungen, Aufrufe zu Tötungsdelikten gegen Politiker*innen fest. Laut deren vorläufigen Zahlen seien in 2021 fast dreimal so viele Straftaten gegen Amts- und Mandatsträgern erfolgt als 2017 (4458 zu 1527) Kriminalität, die besonders im Netz, bei Telegram zu finden ist.

Offensichtlich geht es ihnen nicht darum, sich mit allen Kräften auszutauschen, wie man auch im Rahmen eines solchen Projektes etwas gegen diese Radikalisierung setzen kann. Damit wird das richtige und wichtige Anliegen zum Teil ins Gegenteil verkehrt.

Gregor Gysi hat bereits in seiner Rede im Bundestag zum 65. Jahrestag des Grundgesetzes 2014 darauf verwiesen, welche hohe Bedeutung dieses Gesetz in der Geschichte nach der Zeit des Nationalsozialismus hat. Es sei die einzig richtige Antwort in und durch Deutschland, in dem Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 die Unantastbarkeit der Würde des Menschen festgeschrieben worden ist. Damit wird nicht mehr zwischen Herkunft, Glaube, Geschlecht, Hautfarbe, sexueller Orientierung oder einer Behinderung unterschieden. Er sei der am tiefsten ins Bewusstsein eingedrungene Satz. Der Bundestag sei sich bei allen Unterschieden in einem völlig einig.

Wörtlich sagte Gregor Gysi in seiner Rede: "Das Grundgesetz ist die beste Verfassung in der Geschichte Deutschlands. Und das gilt gerade auch für die ehemaligen Bürger und Bürgerinnen der DDR." Dafür erhielt er Applaus aus allen politischen Lagern.

Das heißt aber nicht, dass Gutes nicht noch besser zu machen ist.

In dem Sinne sollte die Ausschließerritis und die Suche nach Scheinargumenten im Rat bei solchen wichtigen Themen, die sich mit den Grundlagen unseres demokratischen Zusammenlebens beschäftigt, endlich mal außen vor bleiben.

Wir glauben auch, dass man eine solche Ausstellung nicht prüfen, sondern umsetzen muss. Und wenn man das möchte, für eine wichtige Sache hält, dann muss man auch die Bedingungen schaffen.

Sie wissen alle doch spätestens mit der Diskussion um die personellen und finanziellen Bedarfe für eine gute Erinnerungsarbeit 2023 wie es bspw. allein um die Aufarbeitung der Unterlagen des Archivs von Ernst Schmidt zu den Dokumenten des Nationalsozialismus steht. Sie kennen die personelle Unterbesetzung im Bereich der Vermittlungsarbeit im Haus der Essener Geschichte, die durch die Ablehnung der fast gleichlautenden Haushaltsanträge von uns und der SPD nicht besser geworden ist.

Im Gegensatz zu den Antragstellerinnen des Antrages waren Mütter und Väter des Grundgesetzes offener. Die 27 Mitglieder von CDU oder CSU sowie der SPD mussten mit den 5 Vertretern der FDP und den Mitgliedern der Deutsche Partei, dem Zentrum und der KPD, in die Diskussion gehen, waren auf deren jeweilige Abstimmungsverhalten angewiesen.

Jeder der 61 Männer und vier Frauen haben ihren Anteil an dem erarbeiteten. So hat die Juristin und SPD-Politikerin Elisabeth Selbert gegen heftige Widerstände die Gleichberechtigung von Männern und Frauen (Art. 3 Abs. 2) durchgesetzt. Dies war ein gewaltiger Fortschritt, Auch wenn es bis 1957 dauerte bis ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht wurde es bis heute noch ein weiter Weg bis zur wirklichen Gleichberechtigung ist.

Zu ihnen gehörten auch zwei Essener. der in Essen geborene SPDler Friedrich Wolff und der zugezogene KPDler Heinz Renner. Wolff beschäftigte sich mehr mit der Finanzverwaltung, der Beziehung zwischen Bund und Ländern. Renner ist stärker an den verfassungsrechtlichen Debatten beteiligt.

Die Geschichte des GG ist eine spannende. Deshalb wäre es die Mühe wert, auch durch niedrigschwellige Formen der Erinnerungsarbeit ins Bewusstsein gerückt zu werden. Wie von uns in Punkt drei gefordert.

Wir sehen keine sachlichen Gründe unserem Antrag die Bestätigung zu verwehren und freuen uns auf ihre Zustimmung.