Migrantische Ökonomie in Essen
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
werte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuhörende,
wir möchten uns bei der Verwaltung für die Studie zur "Migranten-Ökonomie" bedanken, die zeigt, wie vielfältig und wichtig migrantische Ökonomie für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt ist.
Die Analyse von Alexandra David und Judith Terstriep vom Institut „Arbeit und Technik“ der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen hat das Klischee widerlegt, dass Migrantinnen und Migranten nur in bestimmten Branchen tätig sind (Stichwort: Dönerbude). Sie sind vielmehr in vielen verschiedenen Sektoren aktiv sind, die wichtig für die Wertschöpfung in dieser Stadt sind.
Migrantinnen und Migranten entscheiden sich bewusst für die Selbstständigkeit und wählen oft Essen als Standort, weil sie sich hier zu Hause fühlen. Migrantische Unternehmer stammen hauptsächlich aus Polen, der Türkei, Syrien, Rumänien und den Niederlanden und sind in Branchen wie Baugewerbe, Handel, Dienstleistungen und Gastronomie tätig.
Obwohl die Pandemie die Unternehmensgründungen reduziert hat, machen sich Migrantinnen und Migranten relativ gesehen häufiger selbstständig. Ihre Motivation liegt in einer Mischung aus persönlicher Entschlossenheit und Verantwortungsbewusstsein.
Das alles sind interessante Erkenntnisse, die dazu beitragen können, Vorurteile abzubauen.
Was uns in der Studie gefehlt hat, ist die Betrachtung der sozialen Situation der migrantischen Unternehmer und ihrer Beschäftigten. Wie sieht es aus mit Tarifverträgen und prekärer Beschäftigung? Denn neben den Betrieben mit hoher Wertschöpfung gibt es gerade im Baugewerbe die Unsitte des Subunternehmertums mit Scheinselbständigkeit und einem großem Maß an Ausbeutung. Dieses Dunkelfeld gilt es aus unserer Sicht künftig mehr auszuleuchten.
Wir begrüßen es, dass die Stadt Essen nun basierend auf den Ergebnissen dieser Studie plant, eine Beratungsstelle für selbstständige Migranten unter dem Dach der Essener Wirtschaftsförderungs-gesellschaft einzurichten. Diese soll Unterstützung bei bürokratischen Hürden und Diskriminierung bieten und die lokale Vernetzung verbessern.
Dass das nötig ist, hat die Studie gezeigt. Denn Migrantinnen und Migranten sind in den üblichen Netzwerken wie IHK und Handelskammer selten vernetzt und verfügen auch nur wenig über eigene Netzwerke. Hier sollten die traditionellen Arbeitgeberverbände mehr auf die Handwerkerinnen und Unternehmer zugehen und ihre Angebote entsprechend ausweiten und konkretisieren. Allein bei der Frage des Fachkräftemangels im Handwerk könnten die hier ansässigen Unternehmer eine Stütze sein, wenn sie in die Lage versetzt werden durch entsprechende Qualifizierung mehr und besser auszubilden. Dass hierfür Interesse besteht hat die Studie gezeigt. Im Interesse der Jugendlichen, die eine Ausbildung suchen, sollte das endlich besser genutzt werden.
Zwei Dinge hat die Studie auch deutlich gemacht: zum einen die Probleme bezahlbare Räume zu finden und zum Anderen die Diskriminierung aufgrund der Herkunft, die sich in den Berichterstattungen der Befragten widerspiegelt. Auch die bürokratischen Hürden machen es den Menschen schwer, etwa bei der Anerkennung heimischer Berufsabschlüsse, die oft viel zu lange dauert.
Deshalb ist es richtig, die Beratung insgesamt zu verbessern. Hoffentlich finden sich auch demnächst mehr Frauen, die den Schritt der Selbständigkeit gehen, da diese hier im Vergleich zu anderen Städten noch unterrepräsentiert sind.
An einer Stelle drückt sich die Verwaltungsvorlage vor Konsequenzen. Nämlich da, wo es ums Geld geht. So schlägt die Studie eine zielgerichtete Unterstützung für Kleinunternehmen und Migranten vor, etwa in Form eines kommunalen Gründungsfonds. Aber den Schritt einen Gründerfonds wie Frankfurt einzurichten, geht die Stadt Essen nicht. Das kann und sollte noch werden, in dem es in dem zu erarbeitenden Konzept für die Beratungsstelle mit bedacht wird.
Vielen Dank!