Nachtragssatzung

Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Einen Nachtragshaushalt in dieser Größenordnung hat es in der Geschichte der Stadt Essen noch nicht gegeben. Darauf haben Sie, Herr Klieve in der letzten Ratssitzung hingewiesen, als sie den Nachtragshaushalt eingebracht haben.  Die wesentlichen Gründe für diesen „Nachschlag“ werden wir gleich im  Tagesordnungspunkt 9 „Unterbringung von Flüchtlingen“ ausführlich diskutieren, deshalb möchte ich nur auf wenige Punkte aufmerksam machen.

Eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen dieses Nachtragshaushaltes ist die Auflösung der Zeltdörfer bis zum September, weil dieses die teuerste Lösung ist. Klammer auf, es ist auch für die Flüchtlinge selber die schlechteste Form der Unterbringung, Klammer zu. Jetzt habe ich aber erhebliche Zweifel daran, dass die Verwaltung dieser Aufgabe nachkommen kann. Ich erinnere nur daran, dass der Ratsbeschluss vom Mai letzten Jahres, Containerunterbringungen für 1.000 Flüchtlinge zu schaffen, immer noch nicht umgesetzt ist. Und das liegt nicht daran, weil die Verwaltung schlecht arbeitet oder die Mitarbeiter nicht motiviert sind, sondern weil es schlicht an ausreichendem Personal fehlt.  33 Amtsleiter der Stadt Essen haben Zivilcourage beweisen, als sie mit der „Klausenhofer Erklärung“ auf diese unhaltbaren Zustände in der Stadtverwaltung aufmerksam gemacht haben.

Jetzt rächt sich der Personalabbau, den das ehemalige „Viererbündnis“ aus CDU/GRÜNE/FDP/EBB massiv vorangetrieben hat und Sie, Herr Oberbürgermeister Kufen wünschen sich in Ihrer jetzigen Position bestimmt, diesen Abbau damals nicht so vehement angetrieben zu haben.  Mit dem Abbau von 690 Vollzeitstellen ist  der Bogen überspannt worden. Damit ist die Verwaltung schon im Normalbetrieb zu sehr auf Verschleiß gefahren worden und jetzt ist es zwangsläufig, dass die Belastungen für die Beschäftigten kaum noch zu bewältigen sind.

Es herrschen nicht nur am Ausländeramt unzumutbare Zustände. Mit einer besseren Personalausstattung könnten mehr Flüchtlinge in Wohnungen vermittelt werden und die Planungs- und Bauverwaltung schneller neue Bauflächen für die Flüchtlingsunterbringung ausweisen.

Wir sollen aber heute nur 250 neue Stellen beschließen, obwohl der Personalrat mindestens 400 neue Stellen für notwendig hält und selbst die Koalition in ihrer Resolution, die wir gleich besprechen werden, von 500 Stellen spricht. Außerdem ist überhaupt nicht klar, ob in ihrer Kalkulation, Herr Klieve, auch die Arbeitsplätze, also die Gebäude, die Schreibtische, die technische Ausstattung, etc. bereits eingepreist ist. Alles andere wäre fatal, denn wo sollen die neuen Mitarbeiter /innen ihre Arbeit verrichten?

Wir werden trotz dieser Unwägbarkeiten und Mängel  dem Nachtragshaushalt zustimmen, weil wir wollen, dass die Flüchtlinge in dieser Stadt menschenwürdig untergebracht werden. Wir fordern Sie, Herr Klieve jetzt schon mal dazu auf, für den Doppelhaushalt 2017/2018 schon mal mindestens weitere 250 Stellen auf den Merkzettel zu setzen.

Die linke Fraktion ist dem gemeinsamen Antrag beigetreten, auf das RWE einzuwirken, mindestens eine Dividendenzahlung von 50 Cent auszuzahlen. Die 9,4 Mio. Euro werden dringend für den Nachtragshaushalt benötigt. Weil der Kohle- und Atomdinosaurier RWE die Energiewende verschlafen hat, muss Essen jetzt bluten. So geht das nicht.  Die Stadt Essen sollte sich jetzt endlich von den RWE-Aktien trennen, wie wir es als LINKE zum wiederholten Mal noch im letzten Sommer gefordert hat.  Essen hat sich selbst geschädigt, weil die Stadt den Aktienverkauf zum richtigen Zeitpunkt  verschlafen hat. Eine Anfrage von uns im letzten Jahr hat ergeben, dass ein Verkauf der RWE-Aktien 2007 einen Verkaufserlös von 1,16 Mrd. Euro gebracht hätte. Ein Verkauf zu diesem Zeitpunkt wäre wegen der immensen Schuldentilgung von Vorteil gewesen, trotz Dividende, die aber jetzt wohl ganz wegfällt.

Und um das jetzt schon mal ganz klar zu sagen:  Sollte tatsächlich eintreten, dass RWE keine Dividende zahlt, werden wir einer Erhöhung der Grundsteuer B nicht zustimmen. Es kann nicht sein, dass die Menschen mit niedrigen und selbst mittleren Einkommen, die überproportional von der ständig steigenden sogenannten „zweiten“ Miete betroffen sind, für das Konzernversagen des RWE blechen müssen.

Gabriele Giesecke