Schule als sicherer Ort

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

werte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuhörende,

 

wieder geht es um das Thema Bildung und wieder gibt es schlechte Nachrichten. Die Gewalt unter Kindern und Jugendlichen steigt - in Deutschland, NRW und Essen. Diese Entwicklung reiht sich ein in eine Gesamtgesellschaft, die ebenfalls immer gewalttätiger wird. Man denke nur an den Europawahlkampf, in dem vermehrt Menschen angegriffen wurden, weil sie sich politisch engagieren.

Sie schreiben in ihrer Vorlage, dass das Mitführen von Messern und das Wissen darum, dass es andere dabei haben, zu einem Teufelskreis an zunehmender Bewaffnung führt. Zugegeben ist das eine schwierige Situation. Doch wie können wir diesen Teufelskreis durchbrechen?

Unserer Ansicht nach geht dies nicht, indem wir primär die Symptome bekämpfen und die Schulen zu Hochsicherheitsgebäuden machen. Stattdessen sollten wir die primären Faktoren radikal bekämpfen. Doch wo liegen diese?

In ihrer psychologischen Einschätzung schreiben Sie, dass Menschen Gewalt anwenden, u.a. wenn sie verunsichert sind oder sich hilflos und fremdbestimmt fühlen.

Wir sollten uns also fragen, warum Kinder und Jugendliche sich hilflos und fremdbestimmt fühlen und warum sie verunsichert sind. Die Antwort kann mit Sicherheit sehr komplex und differenziert ausfallen. Doch kurz gesagt sind es die Krisen unserer Zeit - Corona, Kriege, und Klima, aber auch in der Bildung, im Gesundheitswesen, bei den Mieten und insgesamt bei steigenden Preisen und sinkendem Lebensstandard im gesamten Umfeld. Diese Gemengelage, zu der sicher noch weitere Punkte gehören, führt zu Unsicherheiten und damit zu Gewalt.

Die Politik muss diese Felder glaubhaft angehen und die Situation umfänglich verbessern, ansonsten können Projekte und Programme zur Bekämpfung von Gewalt auch keine umfängliche Wirkung haben. Sie und ihre Parteien sollten daher auf allen Ebenen endlich eine Politik umsetzen, die die Interessen der Abgehängten mehr in den Blick nimmt. Was ansonsten dabei rauskommt, sehen wir u.a. an den vorliegenden steigenden Zahlen in Bezug auf Gewalt bei Kindern und Jugendlichen, oder an den Ergebnissen der Europawahl. Dass es hier Zusammenhänge gibt, kann nicht bestritten werden.

Auch die Sprecher:innen der Essener Schulen fordern dringend Unterstützung, um Gewaltprävention an allen Essener Schulen möglichst flächendeckend, wirksam und nachhaltig zu gestalten. Das heißt konkret: es mangelt an Geld und Personal, was niemandem hier neu ist. Wenn Sie zudem schreiben, dass in den Schulen mit Programmen gearbeitet werden sollte, die gezielt darauf ausgerichtet sind, für Schüler:innen ein Lernfeld zu schaffen, in dem kooperatives, prosoziales Verhalten und Emotionsregulationen geübt werden können, zeigen Sie gleichzeitig ihr eigenes politisches Versagen. Denn wenn Sie sich unsere Schulen anschauen, dann finden Sie kein für Schüler:innen geeignetes Lernumfeld vor - ganz im Gegenteil.

Diesen Versäumnissen nun damit zu begegnen, Gewalt- und Straftaten mit Videoüberwachung verhindern zu wollen, würde die Probleme höchstens noch vergrößern. So schreibt auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, dass „die Verhinderung von Straftaten durch Videoüberwachung [...] weitgehend ein Wunschtraum [ist] und „auch das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger [...] nicht mit der Zunahme videoüberwachter Bereiche [steigt].“

Zudem stehen einige der vorgeschlagenen Maßnahmen im Widerspruch zu den beschlossenen, guten Schulbauleitlinien der Stadt. Wir sollten uns daher fragen, ob nicht bessere Schulen - sowohl in Hinsicht der Gebäude, als auch bei der Personalausstattung - zu weniger Gewalt führen können und schauen, ob es gute Beispiele gibt, von denen man lernen kann. Einerseits solche, wo die Gewalt grundsätzlich nicht hoch ist und andererseits solche, wo einer steigenden Gewalt erfolgreich begegnet wurde.

Als Linke erwarten wir, dass bei der Erarbeitung des Konzeptes die Expertise der Jugendhilfe und des AKJ genauso miteinbezogen wird wie die Sicht der Schüler:innen. Denn das Problem von steigender Gewalt betrifft alle Bereiche und nicht nur die Ordnungspolitik, die diese Spirale von Gewalt in der Regel mit anheizt, anstatt sie zu beruhigen.

 

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!