Stadionausbau RWE
Kaum eine Sportart bewegt bei uns so viele Menschen wie der Fußball – vom Kind bis zur Seniorin, vom Breitensport bis zum Profibereich. Allein auf der ESPO-Website finden sich 62 Vereine mit Fußballbezug – beim Handball sind es gerade einmal 12. Das zeigt deutlich: der Fußball spielt eine zentrale Rolle im Sport unserer Stadt.
Mit der Frauenmannschaft der SG Essen-Schönebeck 1968 e. V. haben wir sogar Bundesliga-Niveau in Essen. In diesem Zusammenhang danken wir ausdrücklich dem Vorstand der SGS für sein Schreiben an unsere Gruppe. Die Stellungnahme zur Stadiondiskussion haben wir in unsere Entscheidungsfindung mit einbezogen.
Trotz der dort aufgeführten berechtigten Argumente für den Ausbau, lehnen wir die vorliegende Planung zum Stadionausbau ab. Das möchten wir begründen:
Die geplante Schließung der Ecken und der Umbau im VIP-Bereich erscheinen uns derzeit als verzichtbarer Luxus, da das Stadion auch so zweitligatauglich ist. Gleichzeitig sind viele Vereine auf jeden einzelnen Euro angewiesen und Turnhallen und Sportplätze müssen für den Schul- und Vereinssport saniert werden. Hier sehen wir einen deutlich höheren Bedarf.
Hinzu kommt: Die derzeitige Haushaltslage ist katastrophal. Im Gegensatz zu den anderen teuren Projekten, die wir heute zur Gesundheitsversorgung oder zum Grugabad beschliessen, gehört ein Stadion nicht zur Daseinsvorsorge.
Zwar gibt es jetzt mit der neuen Vorlage einen Preisdeckel von 27 Mio. Euro für das Projekt. Aber ob sich die Realität an den Ratsbeschluss hält, erscheint uns doch sehr fraglich. Wir müssen regelmäßig bei fast allen Bauprojekten trotz Preispufferkalkulation zusätzliche Mittel beschließen, die Kostenschätzungen werden - teils massiv – überschritten. Das stimmt uns skeptisch. Auch heute beschließen wir bspw. mit der Vorlage zum Ostbad eine Baukostensteigerung von 17,6 Mio. Euro in der Prognose auf 29,5 Mio. Euro, also um fast 70 Prozent. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass es bei den knapp 27 Mio. Euro Baukosten für den Eckenausbau bleiben wird.
Insgesamt vermissen wir bei den aktuellen Umbauplänen ein ganzheitliches Konzept für eine nachhaltige und barrierefreie Sportstätte. Der geplante spätere Austausch der Polycarbonatdächer und die dann mögliche Nachrüstung mit Photovoltaik-Anlagen kommen zu spät. Stattdessen hätten wir jetzt die Chance gehabt, ein innovatives, energetisch vorbildliches Projekt für klimaneutrales Sanieren im Bestand zu verwirklichen, insbesondere auch, weil es sich laut Klimaanalysekarte um ein Gebiet mit erhöhter Hitzebelastung handelt.
Insgesamt halten wir die Planung für unzureichend. Wenn es um Veränderung/Verbesserung für die Zuschauer:innen sowie die Mannschaften geht, wenn es um die Schaffung von Voraussetzungen für internationale Spiele und Wettkämpfe geht, wie der Oberbürgermeister immer betont. Was ist, wenn der DFB die Sitzplatzanforderungen in drei Jahren um 500 oder 1000 Plätze erhöht? Dann stehen wir wieder vor genau demselben Dilemma. Auch des-halb halten wir die Vorlage für zu kurz gedacht.
Die Vorlage kündigt verschiedene Verbesserungen in Sachen Barrierefreiheit an, doch der Inklusionsbeirat durfte die Vorlage nur zur Kenntnis nehmen. Gerade bei einem Vorhaben dieser Größenordnung ist die Einbeziehung des Inklusionsbeirates wichtig und unverzichtbar, nimmt er doch die Belange von Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen in den Blick und sollte deshalb von Anfang an beteiligt werden.
Genauso fehlt immer noch ein tragfähiges Verkehrskonzept. Für uns als Linke war stets klar, dass das zu einem Stadionausbau gehören muss. Denn seit dem Stadionneubau ist die verkehrliche Erschließung problematisch. Was wurde bislang verbessert? Radwege enden im Nirgendwo, Parkplätze sind überlastet – eine echte Entlastung für die Anwohnerschaft fehlt. Auch die geplante Entwicklung des Gewerbegebiets Emil Emscher erfordert nachhaltige Mobilitätslösungen.
Zwar gibt es jetzt die ersten Bebauungspläne zur Umwelttrasse, die das Stadion am Rande mit betrachten und die Aussage, dass 2028 die City-Bahn ausgebaut sein wird, aber das ist maximal ein Beginn für die Lösung verkehrlicher Probleme.
Insofern halten wir zwar die acht Punkte zu einem Verkehrskonzept für sinnvoll – aber es fehlt an konkreten Maßnahmen und Zeitpläne.
Ein Beispiel: Die Weiterführung des Radwegs Berne liegt in städtischer Verantwortung, der RS7 dagegen bei Straßen.NRW. Seit 2017 ist hier kaum Bewegung erkennbar.
Das mit der neuen Vorlage das Fahrradparkhaus nicht mehr gebaut werden soll und es stattdessen andere Möglichkeiten gibt, begrüßen wir. Auch rund um das BVB-Stadion gibt es 1.000 kostenlose Stellplätze mit bewachter Abstellung – ohne Parkhaus.
Wir unterstützen deshalb den Antrag der SPD, das Verkehrskonzept unabhängig vom Stadionausbau weiterzuentwickeln. Denn der Ausbau von Radwegen und ÖPNV-Anbindungen kommt auch der Erschließung von Emil Emscher zugute – und nicht zuletzt den angrenzenden Stadtteilen. Kapazitäten werden ja nun frei, wenn die Verlängerung der U 17 seitens Schwarz-Grün nicht mehr gewünscht ist.
Ausdrücklich begrüßen wir mit der neuen Vorlage die Integration des Fanprojekts der AWO im Stadion. Das ist ein wichtiges Signal für die soziale Verantwortung im Profisport.
Fragwürdig ist für uns auch der Umgang mit dem Letter of Intent.
Jetzt gibt es zwar eine Einigung, die die Stadt aber teuer zu stehen kommt und für uns viele Fragen offenlässt. Diese konnten wir erst gestern dem Oberbürgermeister stellen, weil es die neue Vorlage erst am Montag gab. Die Antwort hat uns jetzt erst sehr kurzfristig erreicht, so dass wir diese noch nicht auswerten konnte.
Wir halten nichts davon, dass RWE die 270.000 Euro an die Ruhrbahn für die Bereitstellung der Shuttle-Busse nicht mehr zahlen soll. Warum sollen aber die Steuerzahler dafür aufkommen, dass Stadionbesucher mit Shuttlebussen quasi frei Haus gebracht werden?
Andere Vereine zahlen ähnliche Gelder an „ihre“ Stadt für Pacht und Kosten. Mal mehr, mal weniger - das hat die Recherche der WAZ ergeben. RWE fällt da nicht aus dem Rahmen.
Abschließend möchte ich dann noch einmal feststellen, nur weil Herr Schrumpf oder Herr Schöneweiß behaupten, eine Mehrheit der Stadtgesellschaft steht hinter RWE oder will den Stadionausbau, muss das noch lange nicht der Tatsache entsprechen. Uns ist keine seriöse Umfrage bekannt. Und wie sich Bürger:innen entscheiden würden bei der Frage, 27 Millionen für den Eckenausbau oder für eine Schule, kann man auch nur spekulieren.
Aus den genannten Gründen lehnen wir die Verwaltungsvorlage ab.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!