Essener Erinnerungskultur im 21. Jahrhundert

Den Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, Grüne und FDP zur Einrichtung eines Ernst-Schmidt-Gedenkortes und der Verlängerung der Öffnungszeiten im Haus der Essener Geschichte, der Weiterentwicklung der Essener Gedenkorte und Gedenktafeln könnte man auch überschreiben mit:

„Eine unendliche Geschichte findet nun ihr Happy End oder mit dem Sprichwort „Steter Tropfen höhlt den Stein!“

Zumindestens besteht endlich die Bereitschaft von CDU, Grünen und FDP für die dringend notwendige Erinnerungsarbeit auch die Bedingungen zu schaffen, für eine Arbeit, für die das Stadtarchiv/Haus der Essener Geschichte seit mehr als 13 Jahren zuständig ist. Fast alljährlich beantragen wir zu den Haushaltsberatungen, den unhaltbaren Zustand der minimalen Öffnungszeiten der Dauerausstellung mit ihren Schwerpunkten NS-Zeit und Zweiter Weltkrieg, so zu erweitern, dass sie den Öffnungszeiten anderer Museen entsprechen.

Wenn das Ruhrmuseum oder die Sammlungen des Folkwangmuseums nur dienstags, mittwochs bis 15.30 Uhr und donnerstags bis 18 Uhr zugänglich wären, dann gebe es sicherlich einen berechtigten Aufschrei von Touristen, Stadtmarketing,Wirtschaftsförderung, Essenerinnen und Essener und der Politik im Rat. Schließlich wären damit vermutlich die gemeinsame finanzielle Betreibung des Besucherzentrums Zollverein durch Land, RVR, und LVR in Frage gestellt, ebenso wie die Idee der Folkwangstadt.

Der letzte Stein des Anstoßes für den Antrag war sicherlich die Diskussion und der Beschluss des Kulturbeirates im Februar, in dem die Politik und Verwaltung aufgefordert wurden, die finanziellen und personellen Mittel für eine technische Instandsetzung und inhaltliche Überholung der 65 Gedenktafeln bereitzustellen. Zuvor hatte die Fachgruppe Literatur, Film und Erinnerungskultur auf den Zustand, die Aktualität, die Notwendigkeit der Überarbeitung und Erweiterung dieser Tafeln hingewiesen. Die von Frau Dr. Kauertz vorgelegte Idee eine Ernst-Schmidt-Gedenkortes wurde ebenfalls diskutiert.

Wäre man unserem und dem Haushaltsantrag der SPD gefolgt, dann wäre mit Hilfe der vier beantragten Planstellen das Haus heute schon 10 Stunden an den Wochenenden geöffnet. Bleibt zu hoffen, dass es jetzt nicht nur beim Aufzeigen der finanziellen und personellen Bedarfe bleibt, sondern diese Mittel im Haushalt 2024 ff. dann auch entsprechend mit vereinten Kräften von Verwaltung und Politik, zu denen auch wir gehören, abgebildet werden. Gleiches trifft auf ihren Punkt 1 ihres Antrages zu, der Erschließung dem Nachlasses von Ernst Schmidt, der Schaffung eines Gedenkortes, der in 2024 auch zur Auslobung eines Ernst-Schmidt-Preises führen könnte, wie es in der Begründung heißt.

Gern stimmen wir dem Aufgreifen der Anregungen des Kulturbeirats und der Institutsleitung durch die vier Fraktionen und damit der Wiedereinbringung unseres Haushaltsantrages zu. In Zeiten in denen antisemitische und rechtsradikale Tendenzen wachsen, kann man nicht genug Personal in die Einrichtung geben, die ein Geschichtsbewusstsein für die Gräueltaten des Nationalsozialismus herstellen wollen und können. Mit Ausstellungen und Veranstaltungen vermitteln sie eindringlich, wie das System der Machtergreifung, der Verfolgung jüdischer Bürger*innen, politische Andersdenkender, von Menschen mit Beeinträchtigungen systematisch erfolgte.

Dr. Uri Kaufmannn ist in seinem letzten Vortrag „Vom Antifaschismus zum Jüdischen Museum: Die Alte Synagoge Essen 1979-2008": vor sechs Tagen auf der Grundlage neuer Quellen, der Frage nachgegangen, wie aus dem Haus der Industriereform, eine Mahn- und Gedenkstätte und schließlich das Haus der jüdischen Kultur wurde. Dabei beleuchtet er auch das Wirken von Ernst Schmidt in der Alten Synagoge Essen. Das zeigte mir einmal mehr, dass sich Erinnerungsarbeit nicht in Schubladendenken der Zuordnung zu Häusern umsetzen lässt, sondern nur in gelebter und in der Stadt seit langen Jahren praktizierten guten Zusammenarbeit der städtischen Häuser, wie dem Kommunalen Integrationszentrum, dem Haus der Essener Geschichte, der VHS und eben der Alten Synagoge.

In dem Sinne halte ich es auch ein wenig für einen schlechten Taschenspielertrick, dass unser Antrag heute hier nicht beschlussfähig sein soll. Im Kulturausschuss habe ich von Ihnen erfahren, Herr Al Guhsain, dass sich an der Stellenverschiebung auch erst einmal zwei Jahre nichts ändern kann. Mag sein, dass das formaljuristisch stimmt, dass man deshalb die Stelle jetzt nicht ausschreiben könnte.

Dann frage ich aber, wer entscheidet denn eigentlich darüber, dass eine Stelle, die erst bei der Alten Synagoge angesiedelt war, seit 10 Jahren stillschweigend weiter im Haus der Essener Geschichte verortet wird? Wer macht denn die Vorschläge gegenüber der Kämmerei und wer beschließt letztendlich den Haushalt? Verwaltung und Politik im gemeinsamen Miteinander. Deshalb liegt es doch an uns gemeinsam nach Wegen zu suchen und darauf aufmerksam zu machen, dass dieses Vorgehen, sicherlich auch zurückzuführen auf den unsäglich 1000-Stellen-Streichungsbeschluss, im Interesse einer umfassenden Erinnerungsarbeit, der Bestandserfassung des Nachlasses, dessen wissenschaftlichen Aufarbeitung und Präsentation endlich revidiert wird und es kein „Ausspielen“ der Einrichtungen gibt.

Der Verschiebebahnhof, durch den ein Loch in den Stellenplan der Alten Synagoge gerissen wird, um ein Loch in der Umsetzung von Erinnerungsarbeit im Haus der Essener Geschichte zu stopfen, gehört beendet. Es muss doch erklärtes Ziel von Verwaltung und Politik sein, die Stellenausstattung in beiden Häusern so zu machen, dass zu keinen Einschränkungen in der inhaltlichen Arbeit, wie zum Beispiel der Umsetzung von eigenen Ausstellungen oder der weiteren digitalen Erfassung des Sammelbestandes des Hauses kommt.

Wie man dies praktisch umsetzt, bitten wir die Verwaltung mit dem Haushalt 2024 zu prüfen und umzusetzen. Bis dahin ist auch genug Zeit mit der neuen Leiterin Frau Dr. Diana Matut über die mögliche Neuausrichtung einer Stelle im Rahmen ihrer Vorstellungen zur Fortführung der bisherigen erfolgreichen und geschätzten Arbeit von Dr. Uri Kaufmann und der Neuausrichtung zu besprechen. Wir halten diese Prüfung auch im Interesse unserer eigenen Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit durch Politik und Verwaltung für notwendig.

In der im November gemeinsam von Rat, Verwaltung und Vertretern verschiedener Relegionsgemeinschaften unterzeichneten Resolution gegen Antisemitismus haben wir die Schüsse auf das Rabbinerhaus neben der Alten Synagoge verurteilt, haben uns für die Unterstützung von Projekten an Schulen ausgesprochen. Lassen wir den Worten auch entsprechende Taten folgen, geben wir den Einrichtungen die Mittel, die sie brauchen und um da mal mit den Worten von Frau Dr. Kauertz zu sprechen:

„Wenn man die Vermittlung und Auseinandersetzung mit geschichtlichen Daten und Fakten fördern will, dann ist das Personal der entscheidende Faktor.“ Lassen sie uns den Stellenhickhacks zwischen diesen beiden wichtigen Einrichtungen im Interesse des Engagements gegen Antisemitismus und Rassismus, wenn nicht heute, dann aber mit den Haushalt 2024 beenden. So wollen wir unseren Antrag verstanden wissen.