Redebeitrag von Gabriele Giesecke: Haushalt 2020/2021- Sozialer Schieflage im Armenhaus Essen entgegentreten!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

zum Ende der Wahlperiode dieses Stadtrates ist es Zeit Bilanz zu ziehen. Die Bilanz der Groko und von Ihnen, Herr Oberbürgermeister, fällt leider nicht positiv aus. Sie halten sich in Ihrer Haushaltsrede zu Gute, Ihr 12 – Punkte-Programm abgearbeitet zu haben. Wir werden auf einige Punkte gleich zurückkommen. 

Die Haushaltskonsolidierung, eines Ihrer Vorhaben, wurde zwar fortgesetzt, die Haushaltssituation der Stadt ist allerdings trotz eines harten Sparkurses zu Lasten der einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen weiterhin katastrophal. Es ist Schönfärberei von geglücktem Strukturwandel zu sprechen, die Einnahmenseite spiegelt die strukturelle Schwäche Essens deutlich wieder. Die Steuerquote beträgt 30%, im Bundesdurchschnitt sind es 35- 40 %. Der Grundsteuerhebesatz  B, der Arm und Reich gleichermaßen trifft, ist mit 670 Punkten sehr hoch angesetzt, im Vergleich dazu werden die leistungsfähigen Gewerbetreibenden – und vor allem die großen Konzerne – beim Gewerbesteuerhebesatz von 480 Punkten geschont. 

Deshalb ist eine Anhebung des Gewerbesteuerhebesatzes auf 510 Punkte, wie von uns beantragt, sozial ausgewogen. Schließlich profitieren ja die Wirtschaftsunternehmen enorm von der Infrastruktur. Diese ist für die Unternehmen bei ihren Standortentscheidungen wichtiger als die Höhe der Gewerbesteuer. Sie interessiert z.B., ob sie für ihre Beschäftigten ein attraktives Umfeld vorfinden. Sehr interessant war da die Aussage von Ordnungsdezernent Kromberg, dass Sicherheit als Standortfaktor immer wichtiger wird. Da kann Essen als eine der sichersten Großstädte doch „punkten“.

Die Auflagen des Stärkungspaktes haben Essen einen scharfen Sparkurs aufgezwungen und trotz allem: Die Liquiditätskredite sind mit rd. 2 Mrd. Euro weiterhin erdrückend und ohne Hilfen von Bund und Land nicht zu lösen. Kämmerer Grabenkamp zeigte sich im September „vorsichtig“ optimistisch. Allerdings ist seitdem in Berlin diesbezüglich nichts vorangekommen. Die Bundes-Groko kämpft ums Überleben, da fallen die Kommunen wohl mal wieder durch den Rost.

Essen – weiterhin ein Armenhaus

Mit 10,1 Prozent liegt in Essen die Arbeitslosigkeit mehr als doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt und fast vier Prozentpunkte über dem Landesschnitt. Auch ein deutliches Zeichen, dass der Strukturwandel für viele hier in Essen wie dem gesamten Ruhrgebiet nicht geglückt ist. Dabei stellen vor allem die Hartz-IV-Beziehenden mit 8,2 Prozentpunkten den Löwenanteil der Arbeitslosen. Essen entwickelt sich so weiter in Richtung Armenhaus. Die Zahlen belegen: Obwohl – oder sollten wir besser sagen weil - Essen neun von zehn der umsatzstärksten Konzerne in Deutschland beherbergt, bleiben große Teile der Stadtbevölkerung vom Wohlstand abgehängt.

600 Arbeitsplätze im Rahmen des Teilhabechancen-Gesetz, sind bei gut 24.000 Arbeitslosen im SGB II nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wenn auch die Möglichkeiten der Stadt bei der Beschäftigungsförderung eingeschränkt sind, so tut sie zu wenig, um die Folgen für die Betroffenen und ihre Familien abzumildern. Sie, Herr Kufen, widmen sich ausweislich Ihres Zwölf-Punkte-Programms gerade nicht vorrangig dem drängenden Problem der Armut, die mit Arbeitslosigkeit fast immer einhergeht, sondern  Ordnung und Sauberkeit, Baustellenmanagement und Wirtschaftsförderung. Damit geraten Ihre Schwerpunkte in eine soziale Schieflage.

Essen hinkt bei der Digitalisierung hinter her. Das augenfällige Beispiel des unzureichenden W-Lans in der Innenstadt ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Das fehlendes schnelles Datennetz die wirtschaftliche Entwicklung hemmt, ist das viel größere Problem, weil Arbeitsplätze in Gefahr geraten.      

Gleichwertige Lebensverhältnisse herstellen – Wohnen, Grün, Sport 

Selbstverständlich kennen Sie, Herr Kufen, und die Stadtverwaltung die soziale Schieflage in unserer Stadt. Die Beteiligung am Programm Starke Menschen – Starke Quartiere bietet jetzt die Chance mit Fördergeldern gute Projekte anzustoßen und durchzuführen. Es darf nicht am Personalmangel in der Verwaltung scheitern. 

Zu lebenswerten Stadtteilen gehören gute Sportangebote, dazu gehören gepflegte Grünanlagen und Kinderspielplätze. Gerade die Sport- und Bäderbetriebe sowie Grün und Gruga sind weiterhin völlig unterfinanziert. Vereine und Verbände können nicht alles auffangen.

Um die vielen Ehrenamtlichen im Sport zu stärken, möchten wir 25.000 Euro zur Finanzierung von Übungsleiterlizenzen zur Verfügung stellen. Damit kann vor allem das Sportangebot für Kinder ausgeweitet werden

Wir wollen die Bezirksvertretungen finanziell stärken, sie wissen, wo vor Ort der Schuh drückt. 50 Cent mehr pro Einwohner*innen – damit wird auch den unterschiedlichen Größen der Bezirke Rechnung getragen.

Vielfach ist die Parksituation in dichtbesiedelten Stadtteilen ein großes Thema. Hier bedarf es einer gezielten Unterstützung durch die Planungsverwaltung bei der Einrichtung von Bewohner*innen-Parkzonen.

Der Allbau kann mehr beim Bau von dringend benötigten Sozialwohnungen leisten, dafür muss allerdings „Mutter Stadt“ die Gewinnabführung um 10 Mio. Euro senken und ihn nicht länger als „Melkkuh“ missbrauchen. Angesichts der Knappheit von Wohnungen mit bezahlbaren Mieten ist die Ankurbelung der Bautätigkeit des Allbaus von großer Bedeutung für den sozialen Ausgleich in dieser Stadt. 

Wohnen ist ein Menschenrecht. Wer ohne Wohnung ist, bedarf der besonderen Unterstützung. Wir danken den Menschen, die niederschwellige Hilfen – wie Suppenausgaben – für Obdachlose anbieten. Auch die Stadt kann ihre Hilfen verbessern, z.B. durch abschließbare Spinde für die wenigen Habseligkeiten. Auf Sicht müssen die Unterkünfte nicht nur barrierefrei werden, sondern auch das Geschlecht „divers“ berücksichtigen. 

Verkehrswende und Klimaschutz – in Essen noch Luft nach oben

Die ambitionierten, richtigen, Ziele zur Verkehrswende aus der Grünen Hauptstadt geraten immer mehr unter die Räder der Autolobby. Noch haben offensichtlich die Verkehrsdinosaurier in der Groko das Sagen: So wird z.B. die Einrichtung einer Umweltspur – obwohl die Spur eigentlich nicht der Rede wert ist – nur unwillig unterstützt und  die Planung des RS 1 im Elting-Viertel durch unsinnige Prüfaufträge verzögert. 

Um die Planung für das Radwegnetz und den Ausbau alltagstauglicher Radwege voranzubringen, wollen wir die Planungskapazität durch drei zusätzliche Stellen stärken. 

Mehr Augenmerk verdient auch die vierte Gruppe der Verkehrsteilnehmer*innen – die Fußgänger*innen. Hier ist der Anteil am Gesamtverkehr sogar rückläufig, deshalb muss mehr für Sicherheit und Bequemlichkeit getan werden. Ein Fußverkehrsbeauftragte*r sollte hier die Maßnahmen anstoßen und koordinieren.

Die halbherzigen Maßnahmen im Rahmen der Lead-City werden nicht zu einem nachhaltigen Umstieg in den ÖPNV führen. Sollten aber die wenigen Verbesserungen, wie Verkürzung von einigen Fahrtakten oder günstige Monatstickets wieder einkassiert werden, weil die Bundesmittel fehlen, ist das Ganze ein Flop. Eine gute, niederschwellige Werbemaßnahme für den ÖPNV ist die von uns vorgeschlagene kostenlose Nutzung am Wochenende von Essen Original.

Die Verkehrswende ist ein Baustein im Klimaschutz. Dass wir aber noch sehr viel mehr tun müssen, darauf stoßen uns die jungen Leute von Fridays for Future. Sie sprechen zu Recht von einer Klimakatastrophe – und fordern drastische Maßnahmen und klare Bekenntnisse. Leider hat die Groko die Zeichen der Zeit nicht erkannt, Klima-Notstand überall, nur nicht in Essen.

Vom Klimawandel sind die dichtbesiedelten Stadtteile mit einer meist ärmeren Bevölkerung am stärksten betroffen. Die Temperaturunterschiede zwischen verdichteten Bebauungen und grünen Vororten können leicht 8 – 10 Grad Celsius betragen. Wir begrüßen es sehr, dass im Haushalt jetzt Mittel für die längst überfällige Klimaanalyse eingestellt sind.

Einwohner*innen sorgen sich um die klimatisch wichtigen Freiflächen. Die Proteste der vergangenen Monate führen das Scheitern der großangelegten Bürgerbeteiligung „Wo wollen wir wohnen“ unmissverständlich vor Augen. Abstrakte Beteiligungen bringen dann nichts, wenn nicht die Betroffenen vor Ort einbezogen werden. Sie sind die Experten und haben – wie im Falle Haarzopf – ja durchaus konkrete Alternativen zu den Verwaltungsvorschlägen entwickelt. 

Wir sind für mehr Wohnungsbau aber gegen Flächenfraß im Außenbereich und für Innenentwicklung. Hier wurden Möglichkeiten jahrelang nicht genutzt. Um Flächen u.a. für Wohnungsbau zu identifizieren, ist die Einrichtung eines Baulücken-Katasters überfällig. Dies sollte gemeinsam mit einem Wohnungs-Leerstands-Kataster aufgebaut werden. 

Viele Menschen stellen sich schützend vor Bäume, weil sie einen großen Beitrag zur Klimaregulation leisten. Durch die Trockenheit sind sie stark gefährdet. Wir wollen deshalb die Mittel für Baumbewässerung auf 400.000 Euro verdoppeln. Selbst dann wird Grün und Gruga allein die notwendige Bewässerung nicht leisten können. Gemeinsam mit den Umweltverbänden und –initiativen sollten schnell geeignete Formen der Mobilisierung und Unterstützung von Baumpaten überlegt werden.  

Für bessere Schulen und Kitas

Einkommensarmut geht oft einher mit Benachteiligungen in anderen Feldern. Nach wie vor bescheinigen die Experten die geringe soziale Durchlässigkeit. Einmal arm, immer arm – darin ist Deutschland europaweit Spitze. Bildung ist ein Schlüssel diese Situation aufzubrechen. Hier geschieht viel zu wenig.

Schon lange war der steigende Bedarf von Kita-Plätzen absehbar und wenig geschah, jetzt fehlen rund 3000 Plätze. Und natürlich arbeiten die städtischen Ämter, allen voran das Jugendamt, fieberhaft an der Schaffung von Kita-Plätzen, dafür unser herzlicher Dank. Der Kita-Gipfel im Mai war eine gute Sache. Leider bleibt das „Geschmäckle“, Herr Oberbürgermeister, dass Sie unnötigerweise medienwirksam den Gipfel an sich gezogen haben. Der zuständige Dezernent Al Ghusain hätte die Aufgabe sicher auch mit Bravour gemeistert – so bleibt ihm nur die Arbeit. 

Das sinnvolle Projekt „Sonne, Mond und Sterne“ unterstützt Alleinerziehende. Die Wartelisten sind lang, deshalb ist die von uns vorgeschlagene Verdoppelung von 20 auf 40 Plätze  dringend notwendig. Alleinerziehende arbeiten oft im Verkauf und in der Pflege und haben es besonders schwer die Betreuung  auch in Randzeiten sicherzustellen.  

Die Schulen sind vielfach in einem schlechten Zustand, sie wurden regelrecht „kaputtgespart“ – baulich, ausstattungsmäßig und personell.  Zu bundesweit trauriger Berühmtheit hat es die Gesamtschule Bockmühle gebracht. Sie – wie viele andere Schulen – ist Leidtragende des harten Sparkurses. Da ist es kein Wunder, dass man selbst Ihnen, Herr Oberbürgermeister, die Verlegenheit darüber ansah, als Sie von Journalisten auf den erbärmlichen Zustand angesprochen wurden. Der Film ist auf You Tube abrufbar.

Wie mit guten pädagogischen Konzepten und einem hohen Engagement Kinder zu guten Abschlüssen bis hin zum Abitur geführt werden können, auch dafür ist die Bockmühle ein hervorragendes Beispiel. An vielen Schulen wird – wie an der Bockmühle – eine  hervorragende Arbeit geleitet. Sie verdienen mehr Unterstützung. Wir wollen deshalb, insbesondere an den Schulen in den abgehängten Stadtteilen die Kollegien mit Sozialarbeiter*innen und Erzieher*innen unterstützen. Es muss Schluss damit, dass Schulen wie die Bockmühle in ihrer Not vier Lehrerstellen in Sozialarbeiterstellen umwandeln, weil diese so dringend gebraucht werden. 

Die Schulentwicklungsplanung hinkt den Anforderungen hinterher. Es gilt den Einbezug der Akteure vor Ort zu stärken. Damit die Bedarfe anforderungsgerecht ermittelt werden können, wollen wir für jeden Bezirk eine zusätzliche Personalstelle einrichten. Ebenso ist zusätzliches Personal für eine bessere Verknüpfung von Kitas und Schulen mit außerschulischen Bildungsangeboten nötig.

Jugendarbeit stärken – Ausgrenzung entgegentreten

Junge Leute wollen sich stärker in die Gesellschaft einbringen. Die Fridays for Future machen dies sinnfällig deutlich. Zur Unterstützung möchten wir 10.000 Euro für einen jugendpolitischen Kongress für Klima- und Artenschutz bereitstellen. Wenn die Aussage: Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft nicht Makulatur bleiben soll, so sind die Angebote für Kinder- und Jugendliche zu stärken. Es ist daher völlig unverständlich, dass die Forderung des Arbeitskreises Jugend nach mehr Unterstützung keinen Eingang in den Haushalt gefunden hat. Ebenso gilt es die Jugendkultur personell zu stärken.

Gute Verwaltung braucht gutes Personal und gute Organisation

Weniger Bürokratie, mehr Bürgerservice – Herr Oberbürgermeister, das haben Sie sich auf die Fahne geschrieben. Eine gute Note können wir hier nicht vergeben. Die Ausländerbehörde macht nach wie vor negative Schlagzeilen: Lange Wartezeiten, katastrophale telefonische Erreichbarkeit, schlechte Beratung. An der Essener Bürokratie wäre die Wissenschaftlerin aus Vietnam, deren Fall kürzlich durch die Presse ging, jedenfalls gescheitert. Sie ist jetzt nach Gelsenkirchen gezogen, dort wurden ihre Angelegenheiten kurzfristig erledigt. 

Die Beschäftigten leiden nach wie vor unter dem 1000-Stellen-Kürzungsbeschluss vom Vierbündnis aus CDU, Grünen, EBB und FDP, das Sie damals geführt haben. Auch wenn „nur“ 690 Stellen gestrichen wurden - wertvolles Fachwissen ging verloren und kann in Zeiten des Fachkräftemangels nicht so schnell wieder aufgebaut werden. Hier holen die Fehlentscheidungen der Vergangenheit  Sie, Herr Oberbürgermeister, ein. 

Wir halten es für unglücklich, dass Sie in einer solchen Situation jetzt auch noch Herrn Kromberg die Personalverantwortung entziehen. Auch hier gewinnen wir den Eindruck, dass Sie anderen nur noch wenig zutrauen und alles unter Kontrolle haben wollen – Souveränität sähe anders aus.

Wir wollen an dieser Stelle ausdrücklich den Beschäftigten der Stadt und ihrer Beteiligungen danken. Unter mühsamsten Umständen machen sie einen guten Job.

Demokratie und zivilgesellschaftlichen Zusammenhalt  fördern

Wir befinden uns in politisch sehr turbulenten und höchst beunruhigenden Zeiten. Nur mit Ach und Krach konnten die demokratischen Parteien es in drei östlichen Bundesländern verhindern, dass die AfD stärkste Partei wurde. In Thüringen wurde sie gewählt, obwohl der Flügel-Hetzer Höcke mit Fug und Recht und gerichtlich bestätigt als Faschist bezeichnet werden darf. Niemand kann sich damit herausreden: „Das habe ich nicht gewusst“ – die Wahlergebnisse sind umso verstörender.

Der antisemitische Anschlag von Halle mit zwei Todesopfern hat alle Demokraten  erschüttert. Wir danken Ihnen, Herr Oberbürgermeister, dass Sie sofort mit der jüdischen Gemeinde das Gespräch gesucht haben. Im nächsten Schritt sollte die Alte Synagoge als städtische Kultureinrichtung gestärkt werden, damit sie als Bildungseinrichtung gegen antisemitische und rassistische Tendenzen noch besser wirken kann. 

In unserer Zuwanderungsgesellschaft  stellen sich viele Fragen immer neu, machen die Veränderungen aber auch Vielen Angst. Die Kultureinrichtungen dieser Stadt engagieren sich bereits seit Jahren für die Stärkung von Demokratie, Toleranz und Zivilgesellschaft. Kulturelle Einrichtungen insgesamt  - von der TUP, über die Museen bis hin zu freien Initiativen – spielen eine wichtige Rolle als Brückenbauer zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Deshalb müssen wir unsere vielfältigen Kulturangebote erhalten, gerade auch die kleinen und niederschwellig arbeitenden Einrichtungen. Schon mit vergleichsweisen geringen Beträgen sollten wir Initiativen wie das Katakomben-Theater, das Festival Literatürk oder das Bürgerzentrum Weberplatz am Leben halten. 

Wie sieht die Stadt von morgen aus? Diese Frage stellen sich viele. Wir hoffen: vielfältig, tolerant, weltoffen, sozial gerecht. Aber dafür müssen wir etwas tun, selbst in der Zuwanderungsregion und dem Schmelztiegel Ruhrgebiet war Toleranz und Weltoffenheit noch nie ein Selbstläufer. 

Noch hält in Essen der Konsens der Demokraten rassistischen, antisemitischen und rechtsextremen Umtrieben entgegenzutreten. Aber machen wir uns nichts vor: Auch in Essen finden Gedankenspiele statt, ob vielleicht „rot“ oder „grün“ nicht doch die größere Gefahr ist.

Es ist ein starkes Zeichen, dass wir heute im Stadtrat als Demokraten zusammenstehen gegen die extremrechten Umtriebe der selbsternannten Bürgerwehr in Steele. Diesen Konsens lassen wir uns auch nicht von einigen aus der Zeit gefallen CDU-Mitgliedern klein machen, die angesichts der bedrohlichen AfD-Wahlerfolge immer noch auf so unterschiedlich interpretierbare Begriffe wie  Extremismus setzen. Wir sagen: Klare Kante gegen rechtsextreme und faschistische Hetze. Und so werden Steelenser und Essener Menschen den Beschluss auch auslegen. 

Wir wollen weitergehen: Aus unserer Sicht ist eine Stabsstelle zur Koordinierung der Arbeit gegen Rassismus, Antisemitismus und rechtsextrem-demokratiefeindliche Umtrieben notwendig. Und zwar auf gesamtstädtischer Ebene. Essen braucht ein starkes Handlungskonzept gegen die extreme Rechte, wir möchten dies gern parteiübergreifend in der nächsten Ratssitzung in Auftrag geben. 

Zu einem friedlichen Zusammenleben gehört Anteilnahme am Schicksal anderer Menschen. Mehr als 19.000 Menschen sind seit 2015 im Mittelmeer ertrunken. Im Mittelmeer wird mit der verweigerten Seenotrettung jeden Tag Völkerrecht gebrochen.  Es ist geradezu erbärmlich, dass der Beitritt Essens zur bundesweiten Bewegung „Seebrücke“ seit Monaten von einer CDU-geführten Ratsmehrheit verhindert wird. Essen hat viel für die Aufnahme Geflüchteter getan, wir müssen und können aber angesichts der Not vieler Menschen mehr tun – und sei es aus christlicher Nächstenliebe.

Herr Oberbürgermeister, 

eins Ihrer Vorhaben haben Sie sicherlich für sich umgesetzt: Sie sind sehr kommunikativ und treten bei vielen Gelegenheiten medienwirksam auf. Leider geraten da zukunftsweisende Aufgaben in verschiedenen Feldern ins Hintertreffen, wie wir eben an Beispielen ausgeführt haben. Reden allein reicht nicht, Sie müssen auch „liefern“. 

 

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.