Stadtentwicklung

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, werte Kolleginnen und werte Kollegen werte Zuhörerschaft im Stream,

wir werden die drei Anträge der SPD zur Erarbeitung eines Konzeptes für ein aktives Grundstücksmanagement, der Reform der Stadtentwicklungsplanung – Essen 2035 und

dem Handlungsrahmen für eine gemeinwohlorientierte Bauleitplanung unterstützen, kommen sie doch einem Paradigmenwechsel in der Frage des Umgangs mit dem Boden und der Stadtplanung in unserer Stadt gleich.

Weg vom Verkauf von Grund und Boden zum Stopfen von Haushaltslöchern - hin zu einer am Gemeinwohl orientierten Bodenpolitik durch stärkere, vornehmliche Anwendung des Erbbaurechts anstelle des reinen Verkaufs an Bauinteressenten

  • zu mehr Möglichkeiten der langfristigen Steuerung von Stadtentwicklung auf Grundstücken, die im kommunalen Eigentum sind
  • zur stärkeren Auseinandersetzung mit den Zielen und Inhalten der Neuen Leipziger Charta 2020.

Wir brauchen auch in Essen Lösungen für das Fehlen von bezahlbarem Wohnraum in Essen. Die bisher vom Rat praktizierte Selbstverpflichtung der Bauherren, 30 % öffentlich geförderten Wohnungsbau umzusetzen, ist gescheitert.

Wir können doch nicht ewig so weitermachen und die Augen davor verschließen, dass hauptsächlich im Essener Norden die Mietbelastungen jetzt schon über dem Wert von 30% des Einkommens liegen, in den Allbau-Wohnungen in Altendorf und Katernberg sind es für Mieterinnen und Mieter sogar bereits über 50 Prozent.

Es reicht nicht aus, jedes Jahr die immer gleichen Fakten zur Kenntnis zu nehmen, dass der Bestand an öffentlich gefördertem Wohnraum immer weiter sinkt. Moment sind es nur noch rund 18.000 Sozialwohnungen und wir verlieren jedes Jahr weitere 1.000 Wohnungen. Dabei haben fast 50 Prozent der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt Anspruch auf öffentlich geförderten Wohnraum.

Selbst wenn der Allbau, eine der Wohnungsgesellschaften in NRW ist, die im letzten Jahr noch in den öffentlich geförderten Wohnungsbau investiert hat, ist dadurch noch lange kein Aufhalten des Abwärtstrends möglich.

Der aktuelle Stand und die Veränderungen bei der Umsetzung des Projektes „Essen 51“ durch die Thelen-Gruppe zeigen einmal mehr, wie dringend notwendig es ist, als Stadt mehr Steuerungsmöglichkeiten zu haben, selbst das Vorkaufsrecht für Flächen ausüben zu können und über eigene Konzeptvergaben die Entwicklung auf den Flächen zu steuern. Dann ist der Bau von Schulen, Kindergärten, Dienstleistungseinrichtungen, die Ansiedlung von Gesundheitseinrichtungen nicht nur vom good-will des Investors abhängig. 

Da stellt sich für mich schon die Frage, wer lenkt eigentlich die Geschicke dieser Stadt. Investoren oder das politische Gremium, welches die Bürgerinnen und Bürger gewählt haben.

Mit der Annahme der Anträge durch den Rat würden wir mehr Mitbestimmung darüber erhalten, was auf den Flächen zukünftig im öffentlichen Interesse entsteht, wie dem Bau von mindesten 40 % gefördertem bzw. preisgedämpften Wohnungsbau.

Zum Antrages der SPD zur Erarbeitung eines Konzeptes für ein aktives Grundstücksmanagement haben wir für den Punkt 3 einen Änderungsvorschlag gemacht. Die Veräußerung von Flächen von Ein- und Zweifamilienhausgrundstücken soll nur in Ausnahmefälle geschehen.

Denn aus unserer Sicht kommt es bei einer gemeinwohlorientierten Raumentwicklung darauf an, möglichst grundsätzlich keine städtischen Grundstücke zu verkaufen.

Darüber hinaus sollte durch die Verwaltung in dem zu entwickelnden Konzept auch die Gründung oder Förderung einer Bürgerbodengenossenschaft oder einer Bodenstiftung geprüft werden, um die Möglichkeiten der bürgerschaftlichen Teilhabe zu eröffnen. In Hattingen praktiziert dies die seit 21 Jahren bestehende Gemeinnützige Stiftung für Boden, Ökologie und Wohnen (trias). Gefördert von 180 Stifter*innen erwirbt und entzieht Trias Grundstücke der Spekulation und führt sie mittels Erbbaurechts dauerhaft einer sozialen und ökologischen Nutzung zu. Damit ermöglicht und sichert sie innovative Projekte des Wohnens und Arbeitens in der Region.

Wir würden uns freuen, wenn diese beiden Ergänzungen auf Zustimmung stoßen würden.

In dem Antrag zur Reform der Stadtentwicklungsplanung wird zurecht darauf hingewiesen, dass sich die Zeiten seit dem letzten Leitfaden für die Essener Stadtentwicklungsplanung von 2005 - dem Programm "STEP 2015+" - massiv geändert haben. Statt zu einer schrumpfenden ist Essen zu einer wachsenden Stadt geworden. Das erfordert mehr Neu- und Umbau von Wohnungen, Schulen, Kitas, etc. aber angesichts des Klimawandels auch einen viel rücksichtsvolleren Umgang mit den geringen Flächenressourcen. Deshalb fordern wir auch schon lange die Einführung eines Brachflächen- und eines Baulückenkatasters. Dazu auch ein Entsiegelungskataster einzuführen, halten wir für eine gute Ergänzung.

Es finden sich auch andere Übereinstimmungen mit Inhalten, für die wir uns auch politisch einsetzen: Sozial gemischte Quartiere, mehr  

Mehrgenerationenwohnen, Erhöhung der preisgebundenen Wohnungen, mehr Bürgerbeteiligung bei Planungsprozessen, den Vorrang von Erhalt vor Abriss und Neubau, Kreislaufwirtschaft beim Bauens mit recycelten Baustoffen und die Verknüpfung von Stadt- und Verkehrsplanung.

Städte im Osten, wie Dresden, haben sich längst dran gemacht haben alle fünf Prinzipien der Neuen Leipzig Charta 2020 einer gerechten, grünen und produktiven Stadtentwicklung ganz konkret auf einzelne Stadtteile herunterzubrechen.

Essen könnte hier im Ruhrgebiet eine Vorreiterrolle einnehmen, als mit Ansätzen zur Stadtplanung von vor 18 Jahren der aktuellen Entwicklung hinterherzulaufen.

Wie man Teile der Leipzig Charta auch umsetzen kann, zeigt der Beschluss des Rates der Stadt Hagen im März letzten Jahres. Sie haben umfangreiche "Klima- und Umweltstandards in der verbindlichen Bauleitplanung" beschlossen.

Viel zu wenig arbeiten wir aus unserer Sicht mit den Mitteln des Städtebaulichen Vertrages.  Dieser ermöglicht es, dass mit dem privaten Investor zusätzliche Zielbindungen vereinbart werden können, welche nicht in einem Bebauungsplan festgesetzt werden können.

Die Aufstellung von Bebauungsplänen sollen mit dem Verkauf von Flächen durch die Eigentümerinnen und Eigentümer einhergehen. Das ist für uns ein gangbarer Weg - nach dem jahrelangen Ausverkauf städtischer Flächen -  zu neuen Flächen zu kommen, auf die die Stadt direkt Einfluss nehmen kann.

Dass wir diesen Prozess viel zu spät starten, zeigen bspw. auch die jetzt zu realisierenden Schulraumbedarfe, die ja in bestimmten Stadtteilen wie in Holsterhausen und Rüttenscheid auch entstanden sind, weil der kostenintensive Wohnraum, verbunden mit einem massiven Flächenverkauf schneller gewachsen ist, als die soziale Infrastruktur.

Wir stimmen den drei SPD-Anträgen zu, weil sie statt für eine investorengesteuerte  für eine fortschrittliche Stadtentwicklungsplanung stehen. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Ergänzungsantrag.

REDEMANUSKRIPT