Heike Kretschmer: ZUKUNFT Essen Innenstadt

wer von den Bürgerinnen und Bürgern den Vorschlag der Verwaltung für die Erarbeitung des Leitbildes und die Gestaltung des Prozesse „ZUKUNFT Essen Innenstadt liest, stellt fest: Alle von der Politik geforderten Kriterien finden sich wieder.  Volltreffer also? Nach unserer Einschätzung ja und nein.

Ja: Erstmals wird unter stadtplanerischen Gesichtspunkten eine räumliche, funktionale und strukturelle Analyse verschiedener Themen für die gesamte Innenstadt vorgenommen und nicht losgelöst einzelne Aspekte einer Innenstadtentwicklung, vordringlich unter Marketingaspekten betrachtet. Konkrete Projekte und Finanzierungsmöglichkeiten sollen innerhalb von zwei Jahren entwickelt werden. 

Hut ab! Obwohl ja geschichtlich betrachtet, Frauen nie den Hut zogen!

Steht diese Strategie erst einmal in der angedachten Breite, dann bietet sich aus unserer Sicht die Möglichkeit, darüber zu diskutieren, wie man diese auch auf die anderen Stadtteile ausdehnen, übertragen kann. 

Die Innenstadt zur Blaupause für eine stärkere Verknüpfung von städtebaulichen und sozialräumlichen Aspekten bei der strategischen Entwicklung in den Stadtteilen zu machen, hat die LINKE-Fraktion schon 2019 in die Diskussion im Zusammenhang mit der Rheingold-Studie gebracht. 

Ein Ansatz, Herr Harter, den man im Fazit des Leitbildes als einen Gedankensplitter finden sollte, denn schließlich wirkt sich die Entwicklung der Innenstadt auf die anliegenden Stadtteile auch aus.

Wie wichtig diese stadtplanerischen Überlegungen in dieser Tiefe für die Entwicklung in den Quartieren sind, zeigen auch die Diskussionen um das Grundstück am Palmbuschweg in Altenessen. Frank Ewerdwalbesloh hat auf die Schwierigkeiten für ihn als Investor hingewiesen, wenn man das Gelände für Veränderungen im Stadtteil nutzen will, es aber andererseits keine Gesamtvorstellung gibt, wo Altenessen sich hin einwickeln kann, wie der Prozess der dringend notwendigen Veränderungen im Stadtteil geführt werden soll. 

Eine Diskussion die man hätte schon vor 20 Jahren beginnen können, spätestens aber mit der Erstellung des Bebauungsplans. Vielleicht geschuldet der Tatsache, dass für solche strategischen Überlegungen zu wenig Personal da war? 

Die von uns im März geforderte stärkere Betrachtung der Barrierefreiheit und die Möglichkeit der Teilhabe finden sich im Prozess der Leitbildentwicklung wieder. 

Deshalb bedarf es auch der Erfassung und Abbildung der Breite der Nutzerinnen und Nutzer des Stadtzentrums - von Kindern und Jugendlichen, Erwachsenen, Seniorinnen und Senioren, Touristen, Tagungsgästen, jenseits von den Interessen der Innenstadthändler oder der Hoteliers, deren Einbindung in die Erarbeitungsphase stets benannt wird. Andere Zielgruppen finden sich so nicht wieder. Ein Manko, finden wir.

Die Teilhabe, die Integration von kulturellen und sozialen Aspekten bei der Entwicklung des Leitbildes muss ein Querschnittthema sein muss. Ein Thema, welches auch bei der Erarbeitung der Projekte und deren Umsetzung in den Mittelpunkt der Betrachtung gehört. Inwieweit dies gegeben ist, kann man aktuell nicht feststellen. Deshalb nehmen Sie es als Anregung von uns bitte mit.

So kann es gelingen, dass von der Geschichte Essens als Einkaufsstadt, nur noch die Leuchtreklame am Handelshof übrigbleibt und Essens Innenstadt eher dann für ein aktives Zentrum des Wohnens, Verweilens, des Austausches und des Einkaufens steht.

Eine Herausforderung, wenn man bedenkt, wie viele Prozesse schon ohne so ein Leitbild aktuell laufen – die Umgestaltung des Weberplatzes, der Umbau des Karstadt-Kaufhof-Gebäudes zum Königshof oder die Neugestaltung des Eickhauses, die Findung eines neuen Ortes für die Zentralbibliothek.

Was wir brauchen ist eine Innenstadt, die für alle Menschen unserer Stadt und unsere Gäste zugänglich ist! Gespannt werden wir deshalb darauf sein, welche Ansprüche im Einzelnen dafür formuliert werden. Schließlich kommt es auf die Nuancen an! 

Ein Beispiel hierfür:

Was heißt zum Beispiel: Untersuchung des Feldes „Wohnen (für besondere Zielgruppen) inkl. Nahversorgung“? Wer ist damit gemeint? Welchen Anspruch verbinden wir an den zu entstehenden Wohnraum und das Wohnumfeld? Geht es da in erster Linie vor allem um die Frage: Wie erhöhen wir den Anteil des bezahlbaren, öffentlich geförderten Wohnraums in der Innenstadt? Oder bleibt es bei der schwammigen Formulierung – angemessener Anteil - zur Beschreibung der Festlegungen der Stadt Essen zur Quote des geförderten Wohnungsbaus? 

Im 5. Wohnungsmarktbericht Ruhr stellt man fest, dass Essen gerade mal einen Anteil von 5,8 % öffentlich geförderten Wohnungsbestand am gesamten Wohnungsbestand auf dem Wohnungsmarkt Ruhr 2019 hat - Luft nach oben ist alle mal! Warum nicht die Innenstadt hierfür nutzen!

Zeitdruck ist da! Das Vorhaben, in zwei Jahren schon an die Projektumsetzung zu gehen, ist sportlich. 

Aber ist der Zeitdruck ein schlagendes Argument, dass dieses Leitbild in einem ersten Schritt unter Mitwirkung einer Fachöffentlichkeit erarbeitet werden soll? Aus unserer Sicht nein!

Wie soll sich der Rückkopplungsprozess auf Basis des Entwurfs in dem Zeitkorsett gestalten, der da angedeutet wird? Wie umfänglich kann in den einzelnen Phasen eine Einbindung der breiten Öffentlichkeit erfolgen, wenn gerade mal 10.000 Euro an Sachkosten für die begleitende Öffentlichkeitsarbeit eingeplant sind?  Bei der Entwicklung der Innenstadt müssen alle mitgenommen werden. Wir müssen mit den Menschen und nicht über sie sprechen.

In diesem Sinne warten wir gespannt auf die Präzisierung des Konzeptes und den weiteren Austausch dazu und bedanken uns für die bisher geleistete Arbeit!