Zum Handlungskonzept "Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt"

Fünf Jahre hat die Umsetzung des Ratsauftrages gedauert, das nun bereits 14 Jahre alte Handlungskonzept „Gleichgeschlechtliche Lebensweisen“ zu überarbeiten.  

Unser Dank gilt allen, die sich daran beteiligt haben. Mit Hilfe des Fachwissens und der Expertise des Essener Forum für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt (Fels), der 14 weiteren Institutionen der Essener Community und der Gleichstellungsstelle der Stadt ist es gelungen, die aktuellen Herausforderungen, die vielfältigen Formen der Ausgrenzung und Diskriminierung auf der Grundlage der sich wandelnden Gesellschaft differenzierter zu beschreiben.    

Wie wichtig das Aufgreifen von Ängsten und Problemen ist, zeigen Untersuchungen nach der sich 61 % der Community vor dem Coming out in der Schule fürchten; 93% konstatieren Verschlechterung der psychischen Gesundheit nach Corona, 8 Mal erleben Trans* Menschen körperliche Angriffe oder Gewaltandrohungen.

Mit dem neuen intersektoralen Ansatz des Handlungskonzeptes gelingt es, für die unterschiedlichen geschlechtlichen und sexuellen Lebensvorstellungen und- formen zu sensibilisieren. Es werden die Bedürfnisse der Community in Gänze deutlich. So wird eine aktive Antidiskriminierungs,-. Gleichstellungs- und Mitwirkungspolitik mit wechselseitigem Respekt und Anerkennung in unserer Stadt möglich und umsetzbar. 

Aufgabe der Politik muss es sein, mehr als bisher daran zu mitzuwirken, dass einzelne Themen in die Agenda der Ausschüsse aufgenommen werden. Mit der Setzung der Themen  Sport, Kultur, Soziales, die so im alten Konzept gar nicht betrachtet worden sind, lässt sich der Bezug leichter herstellen.

Auch deshalb ist das neue Konzept inhaltlich ein Quantensprung.

Die Ziele und die konkreten Maßnahmen für die unterschiedlichen Themen, wie Arbeit, Gesundheit, Bildung, Antidiskriminierung bis hin zu Ehrenamt und Selbsthilfe zeigen, wo die Handlungsbedarfe liegen. Sie ermöglichen bei der Evaluierung in zwei Jahren und der Fortschreibung des Programms in fünf Jahren Erreichtes sichtbarer zu machen, ebenso wie mögliche Defizite zu benennen.

Gut, dass wir mit diesem Fahrplan zur Prüfung des Konzeptes alle Miteinander in der Pflicht sind, uns für die Umsetzung zu engagieren, wir nicht wieder 14 Jahre mit einer evtl. Neujustierung warten werden.

Deshalb unterstützen wir heute auch den Antrag der SPD-Fraktion, die notwendigen Finanzmittel im Zuge der kommenden Haushaltsaufstellung im Haushaltsplanentwurf 2025/26 bereitzustellen. Vieles was wir erwarten, geschieht im Ehrenamt und Ehrenamt muss auch finanziert werden. Aus den bisher vorhandenen Bordmitteln wird sich die Vielfalt der Maßnahmen nicht finanzieren lassen. Wir brauchen hier weiterhin feste Strukturen in den Beratungs- und Anlaufstellen und damit eine auskömmliche Finanzierung, die sich auch im Haushalt der Stadt abbildet.

Darüber hinaus benötigen wir zur Umsetzung der Maßnahmen, weitere Player als die bisher Beteiligten. Diese hätten vielleicht auch schon im Konzept Eingang finden können. Im Bereich Sport ist es aus unserer Sicht der ESPO, der ein wesentlicher Partner ist, wenn es um die Sensibilisierung der Vereine geht. 

Beim Thema Gesundheit könnten es zur Sensibilisierung des medizinischen und Pflegepersonal, der dringenden Schaffung von interdisziplinären Beratungsangeboten bspw. das entstehende Netzwerk der Krankenhäuser der Contilia, der Evangelischen Kliniken Essen-Mitte und des Alfried Krupp Krankenhauses sein oder das Netzwerk Essen.Gesund.Vernetzt.

Beim Thema Arbeit gehört das Job-Center der Stadt mit ins Boot. 

Noch eins: Auch nach unserer Auffassung schafft Sprache Realität und Sichtbarkeit, sind geschlechterumfassende und geschlechtersensible Formulierungen notwendig. Die angedachte Erarbeitung eines Leitfadens zur geschlechterumfassenden Sprache im Konzern Stadt ist hierfür sinnvoll. 

Nicht nur in der Sprache sondern auch beim Planen und Bauen brauchen wir eine erhöhte Sensibilität. Deshalb ist es gut, dass die Verwaltung begonnen hat, neue Bau- und Planungsstandards zu entwickeln. Diese sollten dann auch Thema im Fachausschuss sein.

Auf einen der neuen Punkt im Vergleich zum Handlungskonzept „Gleichgeschlechtliche Lebensweise“ möchte ich eingehen, den wir wichtig finden:

Der Umgang mit der Community in Bezug auf  Mahnmale und -Gedenkstätten sowie die Berücksichtigung der Lebenswelten in Kulturangeboten.

Das ist wichtig, weil alle in der Stadt lebende Generationen in ihrer Lebenszeit die unterschiedlichsten Stufen von Ausgrenzung, Verfolgung oder Lebensgefahr mitgemacht haben. Das prägt die queere Szene bis heute. In der Erinnerungsarbeit bezogen auf die Zeit des Nationalsozialismus aber auch darüber hinaus wird dies zu wenig thematisiert.

Bei der Umsetzung des bestehenden Auftrag zu den Erinnerungsorten und Denkmälern gilt es noch einmal genauer hinzuschauen, wo es gegebenfalls auf Grund neuer historischer Erkenntnisse auch einer Überarbeitung der Denkmalpfade bedarf, wie man Orte der Verfolgung und Diskriminierung in unterschiedlicher Form sichtbar machen kann.

Wir stimmen dem neuen Handlungskonzept zu und wünschen allen Akteuren gutes Gelingen bei der Umsetzung der vielfältigen Handlungsempfehlungen!