Anfragen

Bericht aus der Ratssitzung November 2023

Hitzige Debatten um Konzept gegen Rechtsextremismus und „Rü“. 

Am Mittwoch wurde der Haushalt der Stadt für das Jahr 2024 verabschiedet. Aber auch weitere große und zum Teil strittige Themen waren auf der Tagesordnung, wie z.B. die Verbesserung der Sicherheit auf der Fahrradstraße Rüttenscheider Str., das Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus sowie das Klimafolgenanpassungskonzept. Insgesamt waren es 70 Tagesordnungspunkte, so dass die Ratssitzung fast bis zum Donnerstag dauerte.

Die AfD hat als einzige Fraktion das Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus abgelehnt. Dies ist verständlich, denn sonst könnte sie sich gleich selbst auflösen. Eine Zustimmung wäre in etwa so gewesen, als würde sich die Deutsche Biertrinkerinnen Union für die Prohibition einsetzen.

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Linke lehnt Haushalt 2024 ab

Nach der Verabschiedung der Änderungsanträge von CDU und Grünen, beträgt der  Überschuss des städtischen Haushaltes bloß 2,5 Mio. Euro. Das ist knapp, zumal noch nicht absehbar ist, wie sich die Haushaltskrise der Bundesregierung auf die Kommunen auswirken wird. Heike Kretschmer betonte in ihrer Haushaltsrede, dass Die Linke Kürzungen im sozialen Bereich, so wie es CDU und FDP im Bund fordern, strikt ablehnt. Hingegen ist die 100-Prozent-Übernahme der Kosten zur Unterbringung von Geflüchteten durch den Bund längstüberfällig, ebenso wie die Frage der auskömmlichen Erstattung weiterer notwendiger Mittel für Geflüchtete. Für den städtischen Haushalt wäre es wichtig, dass jetzt endlich die Altschuldenlösung durch das Land auf den Weg gebracht und nicht weiter ausgesessen wird.

Heike Kretschmer betonte, dass der Maßstab für den Rat sein müsse, die soziale Spaltung in der Stadt abzubauen. Die Hürden dafür sind hoch, allein schon aufgrund der vielen Krisen und Kriege auf dieser Welt, die sich auch auf Essen auswirken, nicht zuletzt durch die hohe Inflation.

Deshalb hat die linke Fraktion Anträge zur Stärkung der sozialen Infrastruktur gestellt, so z.B. zur Fortführung von Maßnahmen im Rahmen des Stärkungspakts NRW. Daraus hat Essen einmalige Mittel in Höhe von 7,8 Mio. Euro für dieses Jahr bekommen. Damit konnten für bedürftige Menschen Gutscheine für Dinge des täglichen Bedarfs, Zuwendungen bei Stromnachforderungen oder eine Unterstützung für den Austausch von Haushaltsgeräten mit hohem Energieverbrauch finanziert werden. Das wurde gut angenommen, weil sich die Inflation bis in die Mitte der Gesellschaft auswirkt. Im nächsten Jahr fallen die Landesmittel weg. Die sozialen Probleme bleiben aber. Die Linke hat deshalb bei den Beratungen für den städtischen Haushalt 2024 beantragt, dass die Stadt diese Hilfen zumindest teilweise weiter zahlt.

Angesichts des zunehmenden Antisemitismus ist es fatal, dass die Alte Synagoge seit Jahren personell unterbesetzt ist. Hier hat Die Linke eine Mehrbesetzung beantragt. Weil CDU und Grüne einen ähnlichen Antrag gestellt haben, wird es ab dem nächsten Jahr eine weitere Stelle dort geben. Die genauso notwendige, seit Jahren abgelehnte Erweiterung der Öffnungszeiten im Haus der Essener Geschichte konnte wieder keine Mehrheit finden, obwohl doch bis auf die AfD alle darauf hingewiesen haben, dass die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus dringender denn je ist.  

Die linke Fraktion hat zudem weitere Anträge zum Essener Haushalt 2024 gestellt für:

  • mehr Mittel in der Bildung, besonders für den OGS
  • Personal für sichere Schulwege
  • Programme zur Arbeitsmarktintegration für Jugendliche
  • mehr Mittel zur Stärkung der Kulturszene
  • weitere Unterstützung für obdachlose Jugendliche
  • Personal bei der Suchthilfe Direkt
  • die Stärkung des sozialen Wohnungsbaus
  • den Ausbau des Bewohnerparkens
  • eine bessere Grünpflege
  • mehr Unterstützung bei der sportlichen Kinder- und Jugendarbeit

Sie wurden alle abgelehnt, finden sich aber zum Teil in den Anträgen von SPD sowie CDU/Grüne wieder. Allerdings sind die Anträge von CDU und Grünen nach dem Gießkannenprinzip erfolgt. 2,5 Stellen für Schulsozialarbeiter:innen oder 55 Tausend Euro mehr für den Ferienspatz sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. 

Der Haushaltsentwurf wurde mit den Änderungen von CDU und Grünen gegen die Stimmen von SPD, Die Linke, FDP, Tierschutzpartei und AfD angenommen. Das EBB enthielt sich. 

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Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus

Ein präventives Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus zur Beteiligung am NRW-Landesprogramm „NRWeltoffen“ hat der Rat der Stadt gestern auf den Weg gebracht. Shoan Vaisi begrüßte für Die Linke das Konzept als dringend notwendig, denn der Rechtsextremismus bleibt die größte Bedrohung für die Demokratie. Damit war er sich mit fast allen anderen im Ratssaal einig. Auch Ratsherr Jan Flügel von der CDU betonte, dass die größten Demokratiefeinde aus dem Rechtsextremismus kommen. 

Shoan bedankte sich bei der Verwaltung für das gelungene Konzept. Es geht unter anderem auf einen von der linken Vorgängerfraktion initiierten gemeinsamen Antrag aller demokratischen Fraktionen aus dem Dezember 2019 zurück, mit dem die Erstellung eines Handlungskonzeptes für Demokratie und Vielfalt beschlossen wurde. Auf dieser Grundlage hat sich der Rat für das NRW-Landesprogramm „NRWeltoffen“ beworben, dass präventive Handlungskonzepte gegen Rechtsextremismus und Rassismus finanziell unterstützt. Dieses Programm wurde aufgelegt nach der Ermordung des CDU-Politikers Walter Lübcke durch einen Neonazi. 

Alle Fraktionen und Gruppen haben deshalb den Änderungsantrag der AfD, ein Konzept gegen Islamismus, Linksextremismus und Deutschfeindlichkeit zu entwickeln, als Scheindebatte abgelehnt. Thema verfehlt! Denn darum geht es in dem Landesprogramm nicht. Oberbürgermeister Kufen wies, wie auch CDU-Ratsherr Flügel und andere, auf bestehende Landesprojekte zur Islamismusprävention hin, die bereits umgesetzt werden, wie z.B. das Konzept „Wegweiser‘“ oder das neue Programm „Nie wieder ist jetzt“. Das EBB hat gerade noch mal die Kurve bekommen und einen ähnlichen Antrag in der Debatte zurückgezogen.

Es ist allzu durchsichtig, wie die AfD mit dem Finger auf andere zeigt, um von ihrer eigenen Verantwortung als Brandstifterin abzulenken. An ihrem Beispiel begründete Shoan, warum der Rechtsextremismus die größte Gefahr für das friedliche Zusammenleben der Menschen ist: Weil Rechtsextreme mit der AfD einen parlamentarischen Arm haben, der die Demokratie von innen heraus zersetzen will und dort seine völkische Ideologie verbreitet. Ganz im Sinne des Faschisten Bernd Höcke wirkt auch die AfD im Rat der Stadt Essen. Es gibt kaum noch Themen im Rat, in der die AfD nicht gegen Migranten hetzt, sei es auch noch so weit hergeholt.

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Durchgangsverkehre auf der „Rü“  werden reduziert 

Nach jahrelanger Diskussion wurden gestern Maßnahmen für die Fahrradstraße Rüttenscheider Straßeverabschiedet, die den Durchgangsverkehr einschränken und Radfahren und Fußgehen sicherer und angenehmer machen soll. Heike Kretschmer begründete, warum die linke Fraktion die von der Verwaltung vorgeschlagene Vorzugsvariante unterstützt, obwohl sich auch auch unsere Fraktion ambitioniertere Maßnahmen vorgestellt hat. So z.B. die Einführung von echten statt „un-echten“ Einbahnstraßen. Jetzt sei es aber wichtig, dass überhaupt etwas passiert und eine Verbesserung nicht länger auf die „lange Bank“ geschoben wird. Die linke Fraktion hat sich für ihre Entscheidung mit Vertretern des ADFC und des RadEntscheides abgestimmt, die eine ähnliche Position einnehmen. 

Die Maßnahmen weiterhin „auf die lange Bank schieben“ wollte hingegen die SPD-Fraktion mit einen am Vortag eingereichten Antrag, der abgelehnt wurde. Damit sollte die Untersuchung der Vorzugsvariante von vorne losgehen und eine andere Route für die Fahrradstraße „Rü“ geprüft werden, obwohl das Thema längst durch ist. Als Alternative würde nur die Alfredstraße in Frage kommen, auf der kein Platz für Radwege ist, es sei denn, es würde jeweils nur eine Spur für den motorisierten Verkehr geben. Vielleicht war dieser Antrag aber auch eher ein Winken an die CDU, dass sie es mit der SPD in Sachen „Rü“ leichter gehabt hätte als mit den Grünen. Dieser Eindruck drängte sich nach der Rede von Ratsfrau Julia Klewin auf.

Die FDP hat beantragt, dass es überhaupt keine Veränderungen geben soll. Sie ist und bleibt Autopartei. Die linke Fraktion hat einen Antrag gestellt, dass ein Jahr nach der Ein-führung der Variante „3c+1a“ die Auswirkungen auf die Verbesserung der Sicherheit für die Radfahrenden und die Reduktion der Durchgangsverkehre untersucht werden. Dann könnte möglicherweise nachgesteuert und die Maßnahmen verbessert werden. Der Antrag wurde abgelehnt.

Nach einer fast zweistündigen Debatte wurde der Vorschlag der Verwaltung mit den Stimmen von CDU, Grünen und Linken gegen die Stimmen der anderen Fraktionen und Gruppen verabschiedet.

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Ein Leitbild für die Innenstadt - Neuer Versuch für Schriftzug Handelshof

Mit der Verabschiedung des Leitbildes  "Zukunft.Essen.Innenstadt" ist die Grundlage für die Umgestaltung der Innenstadt und für das Integrierte Entwicklungskonzept gelegt worden. Heike Kretschmer begrüßte die drei Handlungsebenen „Grün“, „Durchmischt“ und „Gemeinschaftlich“ als sinnvoll. Das neue Essener Leitbild sei eine Vision aus der Maßmahnen entstehen können, die für mehr Wasser, mehr Grün, mehr Aufenthaltsqualität und urbanes Wohnen in der Innenstadt sorgen.

Mit dem Leitbild löse sich die Stadt von der einseitigen Ausrichtung auf den Handel, stellte auch Christoph Kerscht  von den Grünen fest. Damit ergeben sich neue Chancen, gerade auch mit Blick auf die neue oberirdische Straßenbahnlinie. Heike machte auf das Manko des Leitbildes aufmerksam, dass konkretere Aussagen zum Verkehr, insbesondere auch zu Fragen der Parkplatzbewirtschaftung fehlen. Genau wie bei Rede zur Rü, machte der planungspolitische Sprecher der CDU, Ratsherr Guntmar Kipphardt deutlich, dass die CDU „Bauchschmerzen“ mit der Einschränkung des Autoverkehrs haben würde.

Das Leitbild wurde gegen die Stimmen von Die PARTEI bei Enthaltung von FDP und AfD mehrheitlich angenommen.

Die Vorlage der Verwaltung, bis zum Ende des ersten Quartals 2024, eine Markterkundung nach technischen Möglichkeiten für variierende Schriftzüge für den Handelshof durchzuführen, wurde einstimmig angenommen. Wie wäre es mit: Essen - Die Nr. 2 im Revier?

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Anpassung an die Klimakrise

Gestern hat der Rat der Stadt ein Konzept zur Klimaanpassung auf den Weg gebracht, welches das Ziel hat, die Lebensqualität in Essen trotz der Klimakrise möglichst zu erhalten. Es besteht aus fünf Handlungsfeldern mit 39 Einzelmaßnahmen. Diese Maßnahmen stecken den Rahmen für das weitere Verwaltungshandeln ab, sind aber teilweise weder konkret ausformuliert noch für die Bürgerinnen und Bürger messbar, so die Kritik der Umweltverbände.

Jürgen Zierus begründete den Ergänzungsantrag, den Die Linke nach Beratung mit Vertretern vom BUND und dem NABU gestellt hat. Demnach soll mit den Umweltverbänden und anderen zivilgesellschaftlichen Kräften in Essen ein erster priorisierter Maßnahmen-katalog erarbeitet werden, der konkrete Maßnahmen inklusive eines Zeitrahmens für die Umsetzung enthält.

Der Antrag wurde auch mit den Stimmen der Grünen abgelehnt. Die Verwaltungsvorlage wurde mehrheitlich angenommen. Nur die AfD, welche die Klimakrise ohnehin leugnet, stimmte dagegen.

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Und sonst?

  • Jürgen hat eine Anfrage gestellt, inwieweit nach vierjähriger Umbauphase des Bürgerhauses Oststadt, die Wünsche des Beirates und der Bezirksvertretung nach  einer schnelleren Fertigstellung von der Verwaltung berücksichtigt werden.
  • Ihren gemeinsamen Antrag zur Bewerbung als Modellkommune Cannabis haben Die PARTEI und Die Linke so lange zurückgestellt, bis die von der Bundesregierung vor ein paar Tagen angekündigte rechtliche Prüfung auf EU-Ebene ein Ergebnis gebracht hat. Diese Prüfung bezieht sich auf die zweite Säule der Legalisierung, die auch den Verkauf von Cannabis in Fachgeschäften vorsehen soll. Nach Verabschiedung der ersten Säule vor ein paar Tagen wird die zweite Säule für den nächsten Frühjahr vorbereitet.
  • Das Regionale Aktionsprogramm zur Verbesserung des interkommunalen ÖPNV in der Metropole Ruhr soll dafür sorgen, dass die Überschneidungen an den Stadtränden besser synchronisiert werden.