Anfragen

Bericht aus der Ratssitzung Juni 2023

AfD missbraucht Tumulte für rassistische Hetze

Demokratische Brandmauer gegen Rechts im Essener Rat steht aber

„Die AfD ist die neue NPD.“ Mit dieser Feststellung reagierte Fabian Schrumpf, Fraktionsvorsitzender der CDU, auf rassistische Stimmungsmache der AfD. Und tatsächlich: Wer von „Gesindel“ redet, ist gedanklich vom „Untermenschen“ nicht mehr weit entfernt. Laut Duden sind mit „Gesindel“ Menschen gemeint, die „als minderwertig betrachtet und daher verachtet“ werden.

So hat der Fraktionsvorsitzende der AfD die Teilnehmer an den Tumulten am vergangenen Freitag in der Innenstadt genannt. Dort wollten libanesische und syrische Männergruppen gewaltsam aufeinander losgehen. Die Polizei konnte Schlimmeres verhindern. Die AfD hat diese Tumulte im Rat dazu missbraucht, um in einer von ihr beantragten Aktuellen Stunde eine generelle Hetze gegen alle Eingewanderten zu betreiben. 

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Aktuelle Stunde zu den Tumulten in der Essener Innenstadt

Neben der Beschimpfung als „Gesindel“ forderte die AfD, jegliche Einwanderung aus dem „arabisch-muslimischen Kulturkreis“ zu verhindern. Fabian Schrumpf fand als erster Redner nach der AfD auch dazu deutliche Worte: Der Rat der Stadt brauche keine Tips von einer Partei, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Die AfD hat nur scheinbar einfache Lösungen für komplexe Probleme, aber sie löst keines dieser Probleme. Zudem unterstützt sie das Putin-Regime. Damit fand er den Beifall des gesamten Rates.

Heike Kretschmer machte in ihrer Rede deutlich, dass martialische Versammlungen von Männern, um andere einzuschüchtern oder anzugreifen, in unserer Gesellschaft keinen Platz haben dürfen. Den Rahmen des Zusammenlebens regelt der Rechtsstaat und das gilt für alle Menschen, die hier leben, ob für Zugewanderte oder für Querdenker und Reichsbürger, mit der die AfD das Bündnis sucht.

Heike forderte mehr Bürgerpolizistinnen vor Ort, die vor allem mit Streetworkern, mit den Sozialarbeitern, aber auch den noch zu wenigen Quartiersmanagern vor Ort koordiniert zusammenarbeiten. So sollen gemeinsam Probleme geklärt werden, bevor das „Kind in den Brunnen gefallen“ ist. Außerdem brauche es mehr Treffpunkte, in denen Kinder und Jugendliche auf Menschen treffen, die ihnen helfen, die sie unterstützen sowie eine bessere Bildungspolitik.

Ordnungsdezernent Christian Kromberg beschrieb die ämterübergreifenden ordnungs-behördlichen Maßnahmen und die damit aus seiner Sicht verbundenen Erfolge: Die Kriminalität in Essen und auch „dramatische  Tumultlagen“ gingen seit Jahren deutlich zurück, auch wegen der Politik der 1.000 Nadelstiche der NRW-Landesregierung. Heike kritisierte an dieser Politik, dass mit dem Begriff der „Clankriminalität“ viele ehrliche Menschen mit einem „falschen“ Namen stigmatisiert und ausgegrenzt werden.

Die Debatte verlief bis auf die Beiträge der AfD sachlich und ausgewogen. Mehrere Redner:innen verweisen auf die übergroße Mehrheit der Zugewanderten, die sich in Essen gut integriert hat und nach solchen Vorfällen stigmatisiert wird.

Es kann festgestellt werden, dass die Brandmauer gegen rechte Hetze im Essener Stadtrat im Großen und Ganzen steht. Ausgeschert ist nur Kai Hemsteeg vom Essener Bürger Bündnis, der mit seiner populistischen Äußerung nach Abschiebung von Menschen, „die das Gastrecht missbrauchen“ nur Beifall von der AfD bekam.

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Erinnerungskultur in Essen wird gestärkt

Endlich ein „Happy End“, weil „steter Tropfen den Stein gehöhlt hat.“ Mit diesen Worten kommentierte Heike Kretschmer den Antrag von CDU, SPD, Grüne und FDP für eine Ausweitung der Öffnungszeiten des Hauses der Essener Geschichte, auch am Wochen-ende. So sollen im nächsten Haushalt mehr Mittel für Personal bereitgestellt werden. Zudem soll ein Gedenkort für den Essener Stadthistoriker Ernst Schmidt eingerichtet werden.

Das hat die linke Fraktion zum Teil schon seit Jahren zu den jährlichen Haushaltsberatungen beantragt. Denn seit Jahren ist es ein unhaltbarer Zustand, dass die Dauerausstellung im Haus der Essener Geschichte mit ihren Schwerpunkten NS-Zeit und Zweiter Weltkrieg nur eingeschränkte Öffnungszeiten hat. Heike stellte in ihrer Rede die Frage, was denn wäre, wenn das Ruhrmuseum oder das Folkwangmuseum nur an drei Tagen in der Woche geöffnet hätten. Gerade in Zeiten, in denen antisemitische und rechtsradikale Tendenzen wachsen, kann es nicht genug Personal in den Einrichtungen geben, die ein Geschichtsbewusstsein für die Gräueltaten des Nationalsozialismus herstellen.

In diesem Zusammenhang ist es ein Erfolg, so Heike, dass die Verwaltung jetzt ein Konzept erarbeiten soll, den Nachlass von Ernst Schmidt wissenschaftlich zu erschließen, damit er zukünftig als „Ernst-Schmidt-Gedenkort“ zur zentralen Anlaufstelle im HdEG werden soll. Auch das hat DIE LINKE bereits letztes Jahr beantragt.

Die linke Fraktion hat gestern außerdem noch den Ergänzungsantrag gestellt, dass die zweite wissenschaftliche Stelle in der Alten Synagoge wieder besetzt wird. Obwohl sie im Stellenplan ausgewiesen ist, ist sie seit zehn Jahren nicht besetzt, da der Mitarbeiter zum Haus der Essener Geschichte gewechselt hat. Deshalb kann die Alte Synagoge keine eigenen inhaltlichen Ausstellungen mehr durchführen und ist auch anderweitig eingeschränkt. Die anderen Fraktionen und die Verwaltung stellten sich auf den Standpunkt, dass die Stelle nicht vakant sei, da sie ja im Stellenplan vorkommen würde. Fakt ist aber, dass sie fehlt und deshalb neu besetzt werden muss. Heike forderte, diesen „Stellenhickhack“ spätestens bei den nächsten Haushaltsberatungen zu beenden. 

Der Antrag von CDU, SPD, Grüne und FDP wurde einstimmig angenommen, der linke Antrag abgelehnt.

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Bundesinstitut für Fotografie: Appell an Bund und Land

Es ist der Versuch zu retten, was noch zu retten ist. Nach der skandalösen Fehlentscheidung des Haushaltsausschusses des Bundestages, das Bundesinstitut für Fotografie entgegen aller fachlichen Expertisen nach Düsseldorf zu vergeben, soll die Stadt Essen wenigstens nicht ganz leer ausgehen. So haben die Fraktionen von CDU, SPD, Grüne und FDP einen gemeinsamen Antrag gestellt, dass die Stadtverwaltung Gespräche mit der Bundes- und Landesregierung führt, damit Essen mit einbezogen und beide Standorte angemessen berücksichtigt werden.

Heike begründete die Zustimmung der linken Fraktion für diesen Antrag: Gerade die Ruhrgebietsfotografie weist große Besonderheiten auf und sollte ausreichend berücksichtigt werden. Denn sie steht nicht nur für die Dokumentation der Industrie-entwicklung und die Lebensumstände der Arbeiter:innen, sondern gerade auch für die Dokumentation der gewerkschaftlichen und politischen Kämpfe, ob gegen die Ruhrbesetzung 1923 oder in der Zeit des Nationalsozialismus. Der Antrag von CDU, SPD, Grüne und FDP wurde einstimmig angenommen.

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Sichere Schulwege

Die Fraktionen von CDU und Grüne haben einen Antrag gestellt, u.a. bei künftigen Schulneubauten auf möglichst sichere und kindgerechte Radwegeverbindungen und sichere Fußwege zu Haltestellen des Nahverkehrs zu achten. Weil aus Sicht der linken Fraktion wichtige Punkte in diesem Antrag nicht berücksichtigt worden sind, hat sie dazu einen Ergänzungsantrag gestellt, der von Shoan Vaisi begründet wurde.

So regte er an, dass auch Abstellmöglichkeiten für Räder und Roller ausgewiesen werden sollen, vor allem aber auch Elternhaltestellen im Umfeld der Schulen, in Verbindung mit Straßensperrungen vor den Schulen zu festgelegten Zeiten . So kann das wachsende Problem der sog. „Elterntaxis“ eingedämmt werden. Außerdem regte Shoan an, den ADFC und Fuss e.V. in die Planung mit einzubeziehen und zu Stoßzeiten in Kooperation mit der Ruhrbahn zusätzliche Busse fahren zu lassen.

Obwohl die Vorschläge der linken Fraktion eine sinnvolle Ergänzung zum Antrag von CDU und Grüne war, wurde er nur von der SPD und Die PARTEI unterstützt. Der Antrag von CDU und Grüne wurde einstimmig angenommen.

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Konzept für den Ausbau des Offenen Ganztags 

Die linke Fraktion hat einen Antrag gestellt, dass die Verwaltung ein Konzept erarbeitet, wie der Rechtsanspruch auf einen Offenen Ganztags-Platz bis 2026 erfüllt werden kann. Shoan machte in der Begründung des Antrages darauf aufmerksam, dass im laufenden Schuljahr 2022/23 nur eine Betreuungsquote von 47 Prozent erreicht wird. Bereits für 2021 waren aber 60 Prozent angestrebt und bis zum Rechtsanspruch müssen es 100 Prozent sein. Bisher ist völlig unklar, wie das erreicht werden kann.

Shoan verwies darauf, dass die Mehrheit der 0 bis 6-Jährigen einen Migrationshintergrund hat und dass Schule und Kita die vorrangigen Orte sind, um die deutsche Sprache zu lernen. Gerade in einer Stadt, in der jedes dritte Kind in Armut aufwächst ist gute Bildung wichtig. Denn sie ist der beste Schlüssel gegen Armut, damit aus armen Kindern nicht arme Erwachsene werden.

Der Antrag wurde von den anderen Fraktionen wohlwollend aufgenommen, aber nicht unterstützt. Es gab zwar Verständnis dafür, dass die linke Fraktion mit ihrem Antrag versuche „vor die Lage zu kommen“. Da aber im Zusammenhang mit der derzeitigen Umstrukturierung bei der Jugendhilfe auch eine Qualitätsoffensive OGS wird, sei der Antrag überflüssig.

Offensichtlich ist, dass es auch hier schwer fiel, Argumente gegen den linken Antrag zu finden. Denn mit diesem sollen vor allem die verschiedenen Bestrebungen zum OGS, zu denen die Qualitätsoffensive gehört, gebündelt werden, anstatt wie bisher in verschiedenen Vorlagen nebeneinander zu laufen. So kann das Thema transparenter und zielgerichteter angegangen werden.

Bei Zustimmung der PARTEi und Enthaltung von SPD und Tierschutzpartei wurde der Antrag abgelehnt.

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Und sonst?

  • Kämmerer Gerhard Grabenkamp hat über den Vorschlag der Landesregierung zum Thema Altschulden berichten. Die Stadt Essen braucht diesen Schuldenschnitt. Denn sie hat derzeit noch 1,7 Mrd. Euro Altschulden und zahlt dafür jährlich 34 Mio. Euro Zinsen. Allerdings will das Land für die Altschuldenregelung kein eigenes Geld in die Hand nehmen, sondern es über eine Umverteilung zwischen den Kommunen finanzieren. Mehr dazu in in einer Pressemitteilung der linken Fraktion im RVR, die das Vorhaben der Landesregierung zurecht als „heiße Luft“ kritisiert.
  • In Altenessen wird an der  Erbslöhstraße eine zusätzliche, sechszügige Gesamt-schule neu errichtet. Der Baubeschluss  wurde einstimmig beschlossen.
  • Der Antrag von CDU/Grüne zur Einrichtung einer jährlichen Arbeitsmarktkonferenz in Essen wurde ebenfalls einstimmig beschlossen.
  • Der Rat hat beschlossen, dass die Stadt Essen zum kommenden Schuljahr ein neues Schülerticket auf Basis des Deutschlandtickets einführt. Für 29 Euro können Schülerinnen und Schüler das Ticket dann bundesweit nutzen.
  • Die linke Fraktion hat eine Anfrage zu der Verwendung der Gelder aus dem „Stärkungspakt NRW — gemeinsam gegen Armut“ gestellt. Damit stellt die NRW-Landesregierung ein Unterstützungsprogramm zur Bekämpfung von Armut in Höhe von rund 150 Millionen Euro für das Jahr 2023 zur Verfügung. Der Stadt Essen stehen rund 7,8 Mio. Euro zu. Die linke Fraktion will wissen, wie viele dieser Gelder in welcher Form bereits verplant sind und ob die Überlegung besteht, damit ein Sozialticket zu finanzieren, wie es andere Städte bereits machen oder planen.
  • Der gemeinsame Antrag von Die PARTEI und DIE LINKE für die Bewerbung der Stadt Essen als „Modellkommune Cannabis“ ist in die nächste Ratssitzung im August geschoben worden.